“Was passiert im vierten Harry Potter Teil?”
“Das ist.. der Feuerkelch. Also der mit dem Trimagischen Turnier.”
“Mhm, was ist denn die erste Aufgabe?”
“Die mit den Drachen. Er muss das Drachenei klauen.”
“Und wie macht er das?”
“Er holt sich seinen Feuerblitz..”
“Und wie macht er DAS?”
“Naja mit.. äh.. mit ‘accio Feuerblitz'”
“Stimmt, ja.. weißt du noch, was die zweite Prüfung war?”
“Ja.. da musste er Ron und Hermine unter Wasser retten. Nein, nur Ron, Hermine sollte von Krum gerettet werden.. aber ich glaube er rettet sie auch noch. Und die kleine von Fleur. Nein, quatsch, er rettet nur Ron und Fleurs Schwester.”
“Wie macht er das, dass er unter Wasser atmen kann?”
Ich massiere meinen linken Oberschenkel und überlege. War das nicht Neville, der ihm dieses Kraut gegeben hatte? Oder war das Snape? Oder war das nicht anders in den Filmen? Während ich meine Gedanken laut ausspreche biegen wir schon rechts der Isar ein. Ich muss grinsen, weil die Fahrt so unglaublich schnell vorbeiging und ich die Schmerzen tatsächlich kurz vergessen hatte. Ich spüre, dass auch Helena triumpfierend auf dem Rücksitz grinst. “Können wir bitte eine Rechnung haben? Für die Krankenkasse”, sagt sie während sie aus dem Wagen steigt. “Ich hole schnell jemanden der dich reinbringt.” Als der Taxifahrer versucht sich zu beschweren, weil er ja jetzt ein paar Minuten mit mir warten muss bis mir jemand einen Rollstuhl bringt liest Helena ihm mit zwei kurzen, scharfen Sätzen schnell die Leviten und verschwindet um die Ecke. Noch bevor mir meine Verletzung wieder richtig bewusst werden kann erweist sich mein frisches Tattoo als guter Gegenschmerz als ich den Arm um die Schulter des Sanitäters lege. Ich komme mir so blöd vor in meiner Hotpan, dem dicken Lippenstift, der verschmierten Schmicke und den hohen Schuhen.

Einige Zeit später liege ich allein vor dem Röntgen-Raum, Helena ist losgedüst um mir eine Flasche Wasser zu besorgen. Zum ersten mal nach einer Stunde habe ich kurz Zeit darüber nachzudenken was eigentlich passiert ist. Ich zucke zusammen, die Erinnerung an mein verdrehtes Bein, den Sturz danach und die irgendwo ganz falsch hängende Kniescheibe treibt mir wieder in Tränen in die Augen.
Fünf Jahre! Seit fünf Jahren war mir das nicht mehr passiert und aus irgend einem Grund hatte ich mir eingebildet dass es gar nicht mehr passieren würde. Scheiss verdammte Kniescheibe.

Das erste mal war ich um die vierzehn und hoppste in meinem Zimmer zu Sean Paul, als es klack machte und ich mich verstört am Boden liegend wiederfand. Das war links, wie heute auch. Das zweite Mal, mit sechzehn, sprang ich gerade auf einem Farin Urlaub Konzert zu “zehn – und dann will ich euch springen sehn'” in die Luft, als es rechts knackste und ich kriechend aus der Menge robbte. Das dritte Mal war ich achtzehn und tanzte mit meinen Klassenkammeraden auf unserer Fachabi-Feier in einem Club, ähnlich wie heute, nur eben rechts. Ich kannte mich also aus was ich zutun hatte: Erstmal versuchen all den Menschen um mich rum die mir aufhelfen wollen zu erklären dass ich dazu nicht in der Lage bin und mich jemand tragen muss. Nein, ich bin nicht umgefallen weil ich hackevoll bin… auch wenn das wohl so ausgesehen haben muss. Als ich mitten auf der Tanzfläche am Boden lag und mir weinend das Bein hielt dauerte es nur ein paar Sekunden bis meine Freundin Helena bei mir war, sich runterbeugte und “Kniescheibe?” rief. Ich nickte und sie wusste ebenfalls, was zutun war.

Und nun liege ich also wieder hier. Kriege wohl wieder diese Schiene, ein paar Krücken, muss mir selber Thrombose-Spritzen in den Oberschenkel jagen und humple dann am ersten Juli nach Berlin. Ich erwische mich dabei, wie ich mich frage warum mein Karma so ein Miststück ist. Wieso denn gerade jetzt? Die nächsten Jahre werde ich also wieder mit angespannten Oberschenkeln durch Menschenmengen gehen und Nachts vom “Klack-Klack” Geräusch träumen. Bis ins Mark.

Und in genau dem Moment, als mir an die Decke starrend die ersten paar Tränen über die Backe laufen kommt die Helena angehüpft mit einer Flasche Wasser – und einer ganzen Tafel Kinderschokolade. Ich muss so laut lachen dass mir mein Handy fast aus der Hand fällt. Am Ende bekommen sogar die netten Sanitäter draußen noch jeder einen Riegel.

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, muss man eben die Helena Tequila und Salz dazu bestellen lassen. Scheiss auf gutes Karma, ich habe die Helena!