Nanda erzählt mir, dass sie bereits seit gut vier Jahren mit ihrem Freund zusammen ist. Wir haben uns erst heute auf dem Bloggerevent kennengelernt, aber Nanda ist eine von diesen Mädchen, die man gleich gern hat, die einem ein positives Gefühl geben. Also plaudere auch ich aus dem Nähkästchen. Nanda ist sechs Jahre jünger als ich und scheint mir trotzdem meilenweit voraus, was Beziehungen und Partnerschaften angeht. Vier Jahre, und das in dem alter. Ich überlege kurz und erzähle, dass auch ich einmal drei Jahre lang einen Freund hatte – bis mir einfällt, dass ich jedes Mal nur 15 Monate am Stück mit diesem zusammen war. Dazwischen lag ein ganzes Jahr Pause. “Wir streiten auch so gut wie nie”, erzählt sie, “und wenn, dann diskutieren wir eher. Ich könnte das nie, angeschrien werden oder jemanden anschreien oder Dinge sagen, die man im Nachhinein bereut.” Ich nicke in die Dunkelheit. “Ja, stimmt, es fällt schwer, etwas zu verzeihen, was im Streit gesagt worden ist.”

Unser Gespräch bringt mich mal wieder zum zerdenken. Bei mir flogen eigentlich immer Fetzen. Ich wurde schon oft im Streit verletzt und bestimmt habe ich schon oft im streit verletzt. Ich war schon immer eine Dramaqueen, irgendwie. Und habe das immer so hingenommen, ich bin eben so. Seit letztem Jahr aber versuche ich, mich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen, warum ich wie handle und warum ich wie denke. Ganz bewusst, ohne dabei zu vergessen, dass auch ich manchmal Dinge tue, die sicherlich nicht nett sind. Die egoistisch sind und anderen Menschen weh tun. Man sucht so oft Ausreden für seine Taten – aber wir sind eben nicht perfekt, ich erst recht nicht.

Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich eine wirklich schöne, unkomplizierte, drama-lose Beziehung beendet, weil meine Gefühle nicht mehr die Selben waren. Es gibt kaum etwas schlimmeres, als einem geliebten Menschen zu sagen, dass man ihn zwar noch gern hat – aber eben nicht mehr so. Weil der Andere nichts dagegen tun kann, gar nichts. Er hat nichts falsch gemacht, keinen Fehler begangen, den er wieder gutmachen könnte, sondern steht einfach vor einer steinernen Mauer, die nicht mehr zu durchdringen ist. Ich habe mich wochenlang gefragt, wie zur Hölle das passieren konnte, warum mein Herz auf einmal aufhört für jemanden zu schlagen, hab mich dagegen mit Händen und Füßen gewehrt – aber am Ende ging es einfach nicht mehr. Und auch als es vorbei war suchte ich noch ewig nach dem Grund dafür. Wie kann es denn sein, dass ich mich Hals über Kopf und von Innen nach Außen verliebe, alles vergesse, alles vernachlässige und nur nach Herz lebe – und mich ein Jahr später nicht mal mehr an diese Gefühle erinnern kann? Ich weiß, dass sie mal da waren, aber kann mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen, wie es war. Und das ist so traurig. Es macht mich so traurig. Denn obwohl ich mich von der Vorstellung, ich müsste irgendwann mal einen Partner für’s Leben finden, gelöst habe, erhofft man sich doch, nicht allein alt zu werden.

Und als ich an diesem Abend, nach dem Gespräch mit Nanda im Bett lag, wühlte ich wieder mal wie besessen in meinem Inneren, um endlich den Grund dafür zu finden. Es muss doch einen geben. Ich ging all meine vergangenen Liebesgeschichten im Kopf durch und stellte fest, dass ich mich jedes mal verliebte, wenn es extrem kompliziert war. Es war jedes mal dramatisch. Und jedes mal, wenn es wieder vorbei war und ich mir vornahm, die Männerwelt erstmal in ruhe zu lassen, begann schon die nächste, dramatische Geschichte.

Wenn ich fühle, dann fühle ich zu viel. Ich bin nicht traurig, ich bin am Boden zerstört. Ich bin nicht verliebt, ich schwebe Kilometer weit über Wolke Sieben. Ich falle bis nach Sidney und fliege bis zur Unendlichkeit, und noch viel weiter. Und wenn ich mal nicht das extreme fühle, bilde ich mir ein, ich fühle gar nichts. Vielleicht liebe ich ja sogar, merke es nur nicht, weil ich nicht mehr VERliebt bin. Und niemand ist für immer verliebt, oder? Gibt es Beziehungen, die für immer kribbeln? Flüchte ich immer genau an dem Punkt, an dem lovey-dovey in eine Partnerschaft mündet? Wie soll ich jemals aus diesem Kreis ausbrechen?

Ich habe das Gefühl, mein Leben wird für immer eine verdammte Achterbahn bleiben, und ich hasse Achterbahnen, da mir wird immer so furchtbar schlecht. Ich wünschte ich könnte mal Autobahn fahren, stur gerade aus – und glücklich damit sein. Und obwohl ich jetzt weiß, warum ich nicht für eine längerfristige Beziehung gemacht bin, frage ich mich nun aber, warum ich dieses Extrem unbewusst so sehr brauche.

Als ich ein paar Tage später meiner besten Freundin davon erzählte, sagte sie, dass ich mit diesen Spannungen vielleicht versuche, eine andere Unzufriedenheit in meinem Leben auszugleichen.

Aber welche ist das?

drama