“Sehe ich dich morgen?” sagt der verrückte Typ mit dem Pelzmantel und dem Schlangenmuster-Turban zu meiner Freundin Lisa. “Nein”, sie schüttelt den Kopf, “ich muss heute Abend wieder nach München.”

Ungläubig starrt er sie an. “Du kannst noch nicht fahren! Die Fashionweek braucht dich!”
Ich stehe daneben und lache, weil er es absolut auf den Punkt gebraucht hat. Jemanden wie Lisa braucht die Fashionweek wirklich.

Ich habe Lisa mit nach Berlin geschleppt, weil sie mir vor einiger Zeit mal erzählte, sie würde sich den ganzen Modetrubel in Berlin so gerne mal ansehen. Sie ist sich noch unsicher, ob sie nach ihrer Schneiderlehre in Richtung Fashion oder doch lieber zum Theater gehen will, aber dass sie Kleidung entwerfen möchte, dass weiß sie ganz sicher. Ich hatte zu meiner Abi-Zeit noch absolut keine Ahnung wohin ich im Leben möchte, umso faszinierender fand ich ihren Enthusiasmus, ihre großen Pläne und die vielen Träume. Also nahm ich sie kurzerhand mit.

“Meinst du ich kann  den Zylinder aufsetzen?” fragte sie mich am Tag vor der ersten Show. Ich hatte das fast erwartet. “Es ist Fashionweek, Lisa! Du kannst anziehen was immer du möchtest. Einfach das, was du immer trägst, worin du dich wohl fühlst.” Und dass sie sich unter ihrem Zylinder pudelwohl fühlt weiß ich bereits. Ich warnte sie vor, dass sie bestimmt ein paar Fotos machen müsse, Streetstyle-Fotografen stehen nämlich auf bunte Vögel. Und Lisa ist definitiv ein bunter Vogel.

Als wir am Montag dann vor dem Zelt stehen geht alles ganz schnell: Lisa muss sich hier hinstellen, hier, und dort, ist der ein Fotograf fertig mit ihr, kommt schon der Nächste. Kaum einer kann glauben, dass die meisten ihrer Accessoires selbst gemacht sind. Die Kabel-Kette und die Basketball-Tasche werden am meisten bewundert. Jedes Mal wenn sie gefragt wird, wer sie denn eigentlich sei, antwortet sie: “Ich bin Angelas Plus 1”. Aber ich finde, eigentlich bin ich ihre Plus eins – und ich bin’s gerne. Ich glaube, mir macht der Trubel um ihre Person fast noch mehr Spaß als ihr selber. Ich stehe daneben und erfreue mich daran, wie sich Streetstyle-Fotografen, Modejournalisten, Blogger und allerhand Modemagazine für Lisa begeistern. Jeder, der auch nur zwei Worte mit ihr wechselt merkt sofort, wie perfekt ihr Wesen zu ihrem Äußeren passt: Ausgeflippt, voller Energie und Neugier.

Lisa hat keinen Blog. Lisa hat auch kein Instagram, sie besitzt nicht mal ein Smartphone, sondern ist mit ihrem Nokia 3310 mehr als zufrieden. Ich hatte das Handy auch mal, damals, vor dreizehn Jahren. Die Leute auf der Fashionweek waren teilweise ganz verzweifelt, weil sie Lisa nirgends verlinken konnten. Auf dem Weg nach Hause sage ich zu ihr, dass es vielleicht gar nicht schlecht wäre sich wenigstens Instagram zuzulegen – denn wenn sie später einmal Modedesignerin werden möchte, ist ja ein gewisser Bekanntheitsgrad gar nicht falsch. Sie sieht mich an und sagt: “Aber ich möchte doch gar nicht berühmt werden”. Und wieder einmal habe ich das Gefühl, noch einiges im Leben von Lisa lernen zu können.

Das ist der Grund, warum die Fashionweek mehr Leute wie Lisa braucht. Eben diejenigen, die hier sind weil sie Mode und Klamotten geil finden und nicht um sich selbst darzustellen. Natürlich sticht Lisa aus der Masse hervor aber sie tut das nicht, um dadurch möglichst viele Komplimente zu bekommen und erst recht nicht, weil ihre Follower-Zahlen bestimmt steigen je mehr sie auffällt. Sie tut das, weil sie das schon immer getan hat. Weil sie Stunden damit verbringt die ausgeflipptesten Teile auf dem Flohmarkt zu suchen, sich selber Ketten und Taschen zu basteln und nie den Spaß am Glitzern und Funkeln verloren hat. Lisa ist einfach nur Lisa. Und ich bin ihr real-life-Follower.

;)

lisa2

lisa3