Gestern Mittag fand ich eine Notiz in meinem Handy, die ich – soweit ich mich erinnere – am Abend zuvor im Halbschlaf eingetippt hatte. Jedes mal, wenn ich kurz vor’m Einschlafen eine Idee habe, bilde ich mir ein, es ja „ganz bestimmt nicht zu vergessen“ – und vergesse es doch jedes mal wieder. Diesmal war ich wohl schlauer.

„Mir ist die Sonne früher nie aufgefallen“, stand da, und mehr nicht. Ich musste selbst rätseln, bis es mir wieder einfiel.

Ich wohne seit sieben Jahren in meiner süßen Wohnung in München. Insgesamt vier Mitbewohner*innen habe ich hinter mir, seit gut einem Jahr lebe ich hier mit Sherry allein. Als ich einzog war ich 21, frische Studentin, und einfach nur heilfroh, eine bezahlbare Wohnung (in München!) im Erdgeschoss gefunden zu haben, damit Sherry auch raus kann. Auf so Dinge, ob die Fenster jetzt zu Nord- oder Südseite rausgehen habe ich nicht geachtet. Das verrückte aber ist, dass mir erst, als Helena einzog, auffiel, dass ihr Zimmer Mittags ein bisschen Sonne abbekam. Das war vor ungefähr 2,5 Jahren.
4,5 Jahre war mir also nicht bewusst, dass in mein eigenes Zimmer kein bisschen Sonne schien. Und es war mir wohl auch irgendwie egal. Heute muss ich darüber schmunzeln, weil es zeitlich so gut passt. Erst zu dieser verrückten Zeit vor zweieinhalb Jahren fiel mir die Sonne das erste mal auf. Das war die Zeit, als ich nach Hawaii ging, als meine innere Rebellion begann, als ich „Eine neue Erde*“ las und das Leben auf einmal einen andern Anstrich bekam. Vielleicht kann man sagen, ich hatte die Sonne im Leben immer vermisst, ohne zu wissen, dass ich sie vermisste. Sie war ja immer da, nur gesehen hab’ ich sie nie. Einen kleinen-großen Bewusstseinssprung habe ich damals getan – und darauf bin ich mächtig stolz.

Heute weiß ich, warum ich über die Jahre so viel fröhlicher und glücklicher geworden bin. Glücklichsein hat eigentlich ein ganz einfaches Rezept: Man muss nur die Augen offen halten. Wenn ich mich über nichts im Leben freue, dann heißt es nicht, dass da nichts ist, worüber ich mir freuen könnte – sondern nur, dass ich verlernt habe, mich über die kleinen Dinge im Leben zu freuen. Glücklich ist nicht der, der viel hat – erst, wenn man wahrnimmt, was man hat, ist man glücklich. Und das muss nicht viel sein. Bestimmt lief ich früher auch oft durch die Sonne, trank morgens meinen Kaffe in der gemütlichen Küche, traf mich mit Freunden und lachte laut, kuschelte mit Sherry oder tanzte. Ich nahm die Freude nur nie bewusst war. Heute bin ich ein wahrer Gefühls-Sammler geworden. Ich „freue“ mich nie einfach nur, ich freue mich darüber, dass ich mich freue. Ich nehme alles wahr, was sich schön anfühlt, und lege mir so über den Tag verteilt einen kleinen Katalog an Freude an. Ich füttere mich mit kleinen Freuden. Jedes Lächeln, was man mir schenkt, jede Nachricht, die ich hier bekomme, jeden Hund, den ich streicheln darf, jedes leckere Essen und jeder gute Song – abgelegt irgendwo in mir drin. Jedes mal zweifach drüber gefreut, weil extra bewusst wahrgenommen. Meine Umwelt bewusst wahrnehmen ist für mich zum Schlüssel für alles geworden.

Klar gibt es immer noch Zeiten, da geht’s mir scheisse. Aber ich sage „Zeiten“ und nicht mehr „Tage“, denn das habe ich hinter mir gelassen. Natürlich bin ich manchmal traurig, manchmal sogar noch am Boden zerstört – aber ich komme viel schneller wieder da raus. Muss mich dann nur wieder ein bisschen mit Freude füttern.

Wenn heute die Sonne rauskommt und in mein Wohnzimmer scheint, kriegen mich keine zehn Pferde vom Sofa weg. Und Sherry auch nicht.

 

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