„Ich setze mich mal gegenüber“, sage ich, weil man das ja eigentlich so macht, normalerweise. Normalerweise sitzt man sich beim Essen gegenüber, und nicht um eine Ecke herum, oder sogar nebeneinander, wie vor ein paar Wochen, als wir mal Mittags beim Asiaten essen waren. Dort bist du Anfangs neben mir gesessen bis das Essen kam, dann wollte ich, dass du mir gegenüber sitzt, weil ich dich während ich esse sowieso nicht anfassen kann, dafür aber zumindest ansehen.

Heute wollte ich’s mal wieder mit Gegenüber versuchen. Wir essen, reden, schweigen, essen, reden. Und als wir kurz mal wieder schweigen sehe ich dich an, und weil das plötzlich meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, lass ich meine Gabel kurz liegen. Du guckst ein bisschen verwundert, kaust langsamer, und dann lässt auch du deine Gabel kurz ruhen. Wir sitzen da und sehen uns an, keiner sagt ein Wort, und gerade als ich denke, dass mir dieser halbe Meter zwischen uns eigentlich wieder viel zu viel ist, streckst du deine Hand nach mir aus. Und ich wühl mich rein, weil es sich so gut anfühlt, weil ich genau weiß, was du denkst, und ich mal wieder nicht glauben kann, dass das alles momentan mit mir, mir uns, passiert. Und ganz plötzlich, als ich krampfhaft versuche mein Gesicht in deiner Hand komplett zu vergraben, schießen mir Tränen in die Augen, wie einem liebeskranken Vollidioten, wie einem liebeskranken Vollidioten, wie einem liebeskranken Vollidioten. Ich nehme deine Hand und klettere zu dir rüber, ohne sie loszulassen, beinah hätte ich mein Glas umgeschmissen. Und dann kann ich wieder nicht so richtig atmen, weil dieses Meer an Gefühlen einen Ausweg sucht, einen Weg es zu zeigen oder irgendwie auszubrechen. Also falte ich mich so weit es geht zusammen und drücke mich an dich, und während ich all meine Muskeln anspanne, um alles von dir so fest wie möglich an mich zu drücken, erinnere ich mich, dass ich letztens einen Muskelkater in den Armen hatte – und nicht wusste, woher er kam. Jetzt weiß ich es.

Deine Blicke fliegen umher, genau wie deine Hände, als würdest du verzweifelt versuchen, alles gleichzeitig zu sehen, alles gleichzeitig anzufassen. All das macht zu genau der Sekunden, in der es anfängt, hoffnungslos abhängig, und jedes mal muss ich mich dazu zwingen, wieder in die reale Welt zurückzukehren, und sei es nur nach dreißig Sekunden. Ich verfalle sofort und fliege mit dir los, ganz egal, wohin du mich mitnimmst.

So viele Worte, und eigentlich sagen sie wieder gar nichts, weil ich niemals beschreiben kann, was in mir vorgeht, wenn du all das machst. „Du hast mich in der Hand“ bedeutet für mich nicht, dass ich abhängig bin, nicht mehr eigenständig denken kann, es bedeutet nur, dass ich in deinen Händen sein will, weil deine Hände so schön sind und sich nichts auf dieser Welt und sicherlich auch nicht auf anderen Welten, so schön anfühlen kann, wie deine Hände.

sonntag

Illustration by Noritake