Wie oft ich schon hier saß, oder dort lag, und mich fragte, ob ich denn irgendwann einmal Kinder in diese Welt setzen möchte. Mein Bild von dieser Erde ist so seltsam. Ich bin einerseits ein so euphorischer, glücklicher Mensch, der tagelang lachen, feiern und lieben kann. Und an manchen Tagen sitze ich wieder hier oder liege dort und kann nicht verstehen, in was für einer Welt wir leben.
Vor einiger Zeit habe ich jemanden kennengelernt, der noch mehr als ich das Gefühl hat, er müsse das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen. Jemand, der sich genau die gleichen Gedanken macht wie ich, nur noch schlimmer. Nur noch intensiver. Während ich versuche den Schrecken dieser Welt ganz oft auszublenden, indem ich lieber mal nicht darüber rede und die Nachrichten mal lieber wegschalte, möchte er alles in sich aufsaugen, verstehen, wissen – und am liebsten ändern. Und plötzlich sehe ich mich in der Rolle diesem Jemand gut zuzureden, warum man das nicht kann. Ich versuche eine Lösung für dieses…. Problem zu finden, für eben meines, und zum ersten mal beschäftige ich mich wirklich damit, weil ich jemanden, der durch das Gewicht dieser Welt droht zu ersticken, glücklich sehen möchte. Weil er mir wichtig ist. Wenn es wieder nur darum ginge, meinen eigenen Kopf aufzuräumen, hätte ich keine Lösung gefunden (dabei sind “Lösung” und “Problem” auch die total falschen Wörter, aber ich finde die Richtigen nicht) damit umzugehen.
Irgendwann einmal kam ich zu dem Schluss, dass all meine Probleme mit der Gesellschaft nur daher rühren, dass ich einfach zu viel nachdenke. Und ich wünschte mir für einen winzigen Augenblick, das ablegen zu können. Einfach noch ein bisschen blinder zu sein. Sind nicht die dummen Menschen eben die, die glücklich sind? Und im gleichen Zuge denke ich: Will ich das denn? Macht mich der ganze Gedankenwirrwar in meinem Kopf nicht zu einem besseren Menschen? Meistens… meistens ist es aber einfach nur anstrengend. Dann rattert es in meinem Kopf und ich kann wieder nicht schlafen, und ich nehme mir im Halbschlaf irgendwelche Sprachnachrichten an mich selbst auf, weil ich Angst habe, die Gedanken bis zum nächsten Morgen wieder vergessen zu haben.
Manchmal mag ich mich nicht dafür, dass ich Mode so liebe. Ich habe so viele Luxus-Besitztümer, gerade was Kleidung und Taschen und sowas angeht. Ich mag mich nicht dafür, weil ich mir denke, andere Menschen können sich nichts leisten, gar nichts, und ich habe all das. Ich rede mir dann ein, dass ich mich einfach immer glücklich schätzen kann all das zu besitzen. Aber gerade jetzt, wo ich wieder darüber nachdenke, hasse ich all diese Dinge in meinem Zimmer und wünschte, ich könnte extrem minimalistisch und mit kaum Besitztümern leben und trotzdem glücklich damit sein. Ich wünschte, ich könnte arm sein und glücklich, damit ich mich nicht immer denjenigen gegenüber schlecht fühlen muss, die weniger haben. Ich glaube ich wäre auch nicht dafür gemacht, reich zu sein. Irgendwann in seinem Leben denkt man sich doch, wie schön es wäre, keine Geldprobleme zu haben, im Lotto zu gewinnen, alles zu besitzen was man möchte – aber ich glaube, je mehr ich hätte, desto ätzender würde ich mich auf Dauer fühlen. Mittelstand ist okay, das könnte ich mit meinem Gewissen vereinbaren. Aber Reichtum? Und hier denke ich wieder: Wie schön es wäre, sich weniger Gedanken zu machen. Aber wäre ich ein Gedankenloser Mensch, würde ich mich nicht mögen. Ich mag Leute nicht, die sich über nichts im Leben Gedanken machen. Ich kann einfach nichts mit ihnen anfangen.
Und obwohl ich Gewalt nicht verstehe, mich immer über alles hier aufrege, tue ich nichts aktiv dagegen. Ich würde mich gerne mit allem beschäftigen was mich beschäftigt, es angehen und etwas dagegen tun. Aber ich bin einfach nur da, hier, in München, studiere so, habe so Freunde und feiere, und andere Menschen leiden. Und wisst ihr, was ich diesem Jemand, der versucht all das zu tragen, gesagt habe? Wisst ihr, zu was für einem Entschluss ich gekommen bin?
Du kannst nicht den ganzen Tag durch die Welt laufen und alles und jeden hassen. Du musst eben irgendein Ventil finden und dir bewusst machen, dass du sehr wohl etwas tust. Du kannst die Welt nicht verändern, aber du kannst vielleicht eine Nische finden, in der du es kannst. Dich auf eine Sache konzentrieren und genau so aktiv versuchen die Welt in dieser kleinen Ecke besser zu machen.
Mein Ventil ist dieser Blog. Ich schreibe diese Texte am Wochenende und bekomme SO viel Resonanz von Leuten, die mir schreiben, sie kommen dank mir besser durch den Tag, sie freuen sich darüber, dass jemand so denkt wie sie. Allein durch die victim-blaming Sache. Ich wollte erst nicht ins Fernsehen, weil ich mir wieder dachte, ich kann diese Verantwortung nicht tragen.. aber vielleicht ist genau das meine Nische, in der ich mich einsetzen möchte, um die Welt zu verbessern. Wie das klingt… Ich kann nichts dagegen tun, dass die Menschen sich gegenseitig umbringen, sich grundlos hassen weil sie unterschiedlich sind oder sich im Namen vom irgend einem Gott gegenseitig und die Luft sprengen – aber ich könnte Mädchen helfen, die sich nicht trauen, über Vergewaltigung zu reden. Ich kann nicht alles machen, aber so viel ich kann. Und das kann jeder. Man muss nur hoffen, dass es überall Menschen, die wenigstens einen kleinen Teil der Welt auf den Schultern rumtragen wollen. Wenn jeder sich für nur eine Sache einsetzen würde, wäre die Welt schon eine bessere. Man darf sich nicht komplett verschließen und den Schrecken in dieser Welt komplett ausblenden… aber man sollte sich auf eine Sache konzentrieren.
Und dann voll rein.
Ich bin auch so ein Mensch, der zu viel nachdenkt. Das wird mir oft gesagt und ich selbst sehe es ja auch so. Ich finde es eben nur so schwierig, es nicht zu tun; dadurch verarbeite ich die Dinge im Leben, die mich so beschäftigen. Man setzt sich damit auseinander und kann so für sich selbst eine “Lösung” für seine Probleme ja.. erdenken?
Ich sage es mal so – würde ein Mensch, der so gut wie alles in seinem Leben zerdenkt versuchen, damit aufzuhören, wäre das für betreffende Person auch nicht besser.. im Endeffekt geht jeder mit anderen Augen durch die Welt. Würde man sich nicht leerer fühlen, unentschlossener, unsicherer, wenn auf einmal diese intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Erlebnissen “aufhören” würde?
So, wie du denkst, denkst du richtig! Denn es gibt kein richtig oder falsch, da jeder so ist, wie er ist. Klingt abgedroschen – ist aber so!
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag – und denk ruhig weiter, das ist gut! :)
Liebe Angela, ein toller Text. Und eine gute Einstellung. Als Kind und auch heute habe ich das Buch und den Film “Madita” von Astrid Lindgren geliebt. Und darin gibt es die Stelle, als Madita Läuse hat und ihre Mutter nicht nur Madita und ihre Schwester mit Sabadill-Essig entlaust, sondern auch Lause-Mia und ihre Schwester. Der Vater macht sich daraufhin darüber lustig, aber die Mutter sagt nur: “Es gibt so viel Elend auf der Welt, das man beseitigen müsste. Aber irgendwo muss man ja anfangen und so kann man es eben auch mit Sabadill-Essig tun!”
Diese Szene halte ich mir immer wieder vor Augen, wenn ich ähnliche Gedanken. Und ich finde, dein Text passte auch ganz wunderbar dazu :)
Toller Text! Ich habe dich erst vor einem Monat oder so entdeckt, doch du bist mir so sympathisch, weil mir soviel von deinen Texten bekannt ist aus meinem Leben.
Wie oft fühle ich mich schlecht und irgendwie mit verantwortlich für das was auf der Welt passiert.
Danke du bist echt toll!
Grüße aus Schweden :)
Alexa
<3
Guter Text, aber zu der Band: Mitgliedern von A Day To Remember wurde mehrmals Vergewaltigung / Sex mit Minderjährigen und Gewalt gegenüber Frauen vorgeworfen.
Passt leider nicht so gut hier rein. Leider gibts viele ‘Männer’bands aus dem Bereich die problematisch sind bei denen das nicht gross Kund gegeben wird weil es, leider, die meisten Fans null interessiert.
Ich fühle mich manchmal mehr, manchmal weniger genauso. Du bist nicht allein, niemand ist allein. Es ist einfach nur schwierig sich mit jemanden austauschen zu können, der das dann auch versteht! :)
Allerliebste Grüße,
HOLYKATTA
Ich kann dich so gut verstehen, wunderbare Angela.
Danke für deinen Output. der zu meinem Input wurde.
Eine Schwester im Geiste – Ganz viel Liebe.
x Laura
Du glaubst nicht wie sehr ich gerade erleichert bin, dass ich nicht die einzige mit solchen Gedanken bin. Ich habe mich bisher noch nicht wirklich getraut über diese Empfindungen zu sprechen, aber es hilft ungemein zu wissen, dass es in der scheinbar großen Menge empathieloser Menschen auch Personen gibt, die ähnlich fühlen.
Liebe Grüße!
vielleicht interessiert dich das ja: https://www.youtube.com/watch?v=gyI2Sugw6Yc :)
!!!! Danke dafür!
Danke für diesen unglaublich guten Text! Ich kann mich in deinen Worten so sehr wiederfinden und hatte auch schon immer das “Problem”, dass ich einfach zu viel nachdenke und zu sensibel bin für die Problemchen dieser Welt. Manchmal möchte ich auch einfach blind sein und meinen Kopf ausstellen können und mich abschotten. Dann gibt es aber auch wieder Momente, in denen ich denke, dass uns ja genau das besonders macht. Dass wir diese Last (oder vielleicht sogar Gabe?) nutzen sollten. Dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen sollten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das kann ein Balance-Akt sein und ich als Perfektionistin verfalle immer sehr schnell in diese “Alles oder nichts”-Einstellung. Aber das ist wohl der falsche Weg. Jeder kleine Schritt zählt. Man sollte seine Nische finden und sich darin austoben. Ich blogge ebenfalls und sollte mich wohl auch mal mehr mit solchen Themen befassen, da sie mir sehr am Herzen liegen.
Liebe Grüße
Lena | http://www.healthylena.de
Dein Text hat mich zu Tränen gerührt! Echt, ich wünschte viel mehr Menschen würden so denken, wie du es tust..
Hi Angela,
ich bin seit dem ersten Tag begeistert von deinen Posts, vielmehr Gedanken, seit dem ich deinen Blog entdeckt habe.
Du schreibst so was du fühlst und das ist so schön. Du hast eine wunderbare Gabe! Ich kann mich in deine Gedanken versetzen wenn ich diesen Text von dir lese und spüren, dass deine Gedanken auf der einen Seite sehr dynamisch und auf der anderen Seite dennoch chaotisch sind.
Du hast Recht! Du kannst nicht die ganze Welt verändern, aber eine Nische/ein Teil davon! Und das machst du in der Tat mit deinem Blog und ich freue mich sehr, dass du herausgefunden hast, was deine “Berufung” ist, denn manche Menschen schaffen es nicht einmal im ganzen Leben herauszufinden. Du bereicherst die Menschen mit deinen Texten und Gedanken und eine große seelische Stütze! Auch hoffe ich, dass deine Leser an deinen schlechten Tagen für dich eine Hilfe sind.
Alles Gute und mach weiter so!
Wie so oft denke ich genauso wie du.
Aber in einer Sache möchte ich dir nicht zustimmen: du musst wirklich kein schlechtes Gewissen haben wegen deinen Besitztümern. Sie sind ja nicht einfach vom Himmel gefallen, du hast dafür gearbeitet! :)
Angela du sprichst mir immer so aus dem Herzen! Lieber ein bisschen verrückt denken, als gar nicht!