Ich setze mich auf einen großen Baumstumpf am Wegesrand und beobachte durch die Äste hindurch den See. Den schönsten See, den ich jemals gesehen habe, der mich jedes mal wieder umhaut, wenn ich hier bin.

„Das gibt’s doch nicht“, hast du immer und immer wieder gesagt, als wir vor diesem krassen, unfassbar schönen, unbeschreiblichen Panorama standen. Vor uns der türkis-blaue Eibsee, der so ruhig ist, dass sich die Berge darin eins zu eins spiegeln. Kein bisschen bewegt er sich. Die Zugspitze darüber, und wir drunter. Man hört nichts, außer Stille, und die ist so wunderbar. Ich möchte am liebsten für immer hier bleiben, mit dir zwischen den Bäumen und der Stille. Ich glaube, nur hier draußen ist so eine Stille nicht drückend, nur hier draußen kann man sie wirklich genießen. Nur hier draußen nimmt mich die Stille komplett ein, ohne Platz zu machen für negative Gedanken.

Wir sind hier her gefahren, weil du sagtest, du willst mit mir raus, endlich an Orte, die dann uns gehören. Dieser wunderbare Ort hier, den schenk ich dir, der gehört nun uns. Wir liefen die kompletten sieben Kilometer außen rum, kein einziges mal wünschte ich mir, woanders zu sein und wenn ich könnte, würde ich ab heute ein Leben lang mit dir um diesen See laufen, und dich „das gibt’s doch nicht“ sagen hören.

Und jetzt sitze ich hier auf diesem Baumstamm, ganz allein. Ich bin nur kurz in den Wald gelaufen, weil ich zu viel Tee getrunken habe, und als ich wieder auf den Weg zurück kam, warst du nicht mehr da. Dabei hätte ich schwören können, dich hier zurückgelassen zu haben. Aber du bist nicht da, und auch nicht ein Stück weiter. Ich sehe dich nicht.
Ich könnte mein Handy rausholen und dir schreiben, aber ein Handy an diesem Ort ist so fehl am Platz, alles was nicht Natur ist, ist hier fehl am Platz, also denke ich gar nicht daran. Ich sitze einfach nur hier und blicke in den Wald, und auf einmal beschleicht mich wieder das miese Gefühl, ich hätte mir alles nur eingebildet. Das passiert mir in letzter Zeit öfter, irgendwie, weil ich nicht fassen kann, dass das hier real sein soll, und es doch eigentlich eine Parallelwelt sein muss. Dass es dich eigentlich gar nicht gibt. Dass alles nur in meinem Kopf passiert und ich mir diese perfekte Welt, in der ich mich gerade dank dir befinde, nur ausgedacht habe. Weil es doch viel zu schön ist um Wahr zu sein. Also sitze ich hier, auf meinem Baumstumpf, und ich fühle mich plötzlich so allein, als wärst du niemals dagewesen. Mein Kopf sagt mir ein paar mal mehr, dass ich vielleicht einfach nur verrückt bin, dass es wirklich alles nur Einbildung sein könnte und ich heute alleine an den See gefahren bin… die Gedanken werden zu real. Und kurz bevor der Wirrwarr in meinem kopf in Panik umschwingt, sehe ich dich um die Ecke kommen, mit großen Augen läufst du auf mich zu und fragst mich, wo ich gewesen bin, ich wollte doch nachkommen.

Und dann sagst du, dass du kurz den wirren Gedanken hattest, dass du alleine an den See gekommen wärst, und ich eigentlich gar nicht existiere.

Und wieder falle ich in mir zusammen und halte dich und halte dich und du hältst mich und ich weiß wieder, wie real es ist.

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