Ich sitze auf unserem Balkon. Der Himmel über mir ist bedeckt mit Palmen, im Garten unter uns wachsen Pflanzen die ich nicht kenne, im angelegten See schwimmen bunte Koi Karpfen. Wir haben die Handtücher zum trocknen über das Geländer gehängt, Julius sitzt neben mir und fragt mich, über was ich schreibe. Ich hätte so viel zu erzählen.

Dieser Urlaub ist mal wieder ein Beweis dafür, dass alles so kommt, wie es kommen muss. Vor ein paar Tagen habe ich Dinge erfahren, die mich kurzzeitig an meinem Weltbild zweifeln ließen. Ich saß eine ganze Nacht lang vor meinem Laptop, Adrenalinspiegel so hoch als stünde der Weltuntergang bevor, wohl wissend dass alles, was ich gerade erfahren hatte sehr wohl wahr ist, auch wenn ich mir gerne das Gegenteil eingeredet hätte. Ich saß dort von elf Uhr Abends bis zehn Uhr Mittags, so lang dauerte es, bis ich alles, was ich wissen musste rausgefunden und die Hosen des Schuldigen Lügners in Flammen aufgingen. Erst dann fiel ich in mein Bett. Die Erleichterung darüber endlich die Wahrheit zu wissen mischte sich mit einem bitteren Geschmack. Ich wurde nicht nur belogen und hintergangen, sondern all das auf Hollywood-Niveau. Eine Story entstand, die man sonst nur aus dem Film kennt. Ihr wisst schon, die Bösewichte, die nichts Gutes mehr in sich tragen und keine Skrupel haben ihre Klingen am Ende noch einmal umzudrehen, die sich ein Konstrukt aus Lügen erschaffen ohne Rücksicht auf Verlust. Und als ich endlich einschlief, wusste ich, wie ich die scheisse die passiert ist für mich nutzen kann. Damit all das nicht umsonst war und ich diejenige bin, die zuletzt lacht. Ich werde es aufschreiben, eine Chronologie finden, die Geschichte zurechtschleifen und meine Gefühle als Inspirationsquelle nutzen – und am Ende habe ich das, was mir immer für ein Buch gefehlt hat: Eine perfekte Story.

Als ich wenige Stunden später aus einem Albtraum hochschreckte war alles sofort wieder da. Ich nahm Zettel uns Stift zur Hand und schrieb mir alles auf, was ich wusste, und was noch rauszufinden war. Drei Tage lang kreisten meine Gedanken Tag und Nacht nur um dieses eine Thema, mein Hirn stellte sich Fragen die nicht zu beantworten waren und das große “Warum?” schrieb ich mit roten Lettern darüber. Und dann fiel mir ein, dass ich letzte Woche gerfagt wurde ob ich in den Urlaub fliegen möchte. Mal wieder perfektes Timing. Ich hatte es das ganze Jahr über noch nicht geschafft ans Meer zu fahren und die Hoffnung schon aufgegeben. Genau einen Tag bevor sich dieser ätzende graue Schleier über alles legte bekam ich die Möglichkeit, spontan wegzufliegen. Und sagte ab – weil eigentlich ein paar wichtige Termine anstanden. Am selben Abend noch, als ich mit Julius in der Küche saß sagte ich alles ab und wir machten Ganze fix. Raus, einfach nur raus.

Jetzt sitze ich hier, bei fünfundzwanzig Grad und kann es gar nicht glauben, dass es schon November ist. Alles, was mich bedrückt habe ich Zuhause gelassen. Man sagt nicht umsonst, dass man seine Sorgen über Bord wirft, ich habe sie aus dem Flugzeugfenster geschmissen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meinen Sorgen zwar Flügel wachsen und sie sich schön gemütlich in meinem Zimmer Daheim einnisten werden, aber hier können sie mich wenigstens nicht erreichen. “Mach den Kopf zu, komm klar”.

Und jetzt, jetzt packe ich den Laptop weg, sammle meine Sachen zusammen und geh’ endlich ans Meer, nehm mir vielleicht noch einen dieser geilen Baileys-Eis-Frappuccinos mit und erfreue mich an Julius Blödeleien, der Sonne, dem salzigen Meeresgeruch und der Gewissheit, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert.

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