Ich fühle mich als würde die Welt prickeln. Wie diese Kaugummis, die erst im Mund ein Feuerwerk auslösen bevor man anfängt sie zu kauen. Alles um mich herum knistert und funkelt, was ich anfasse sprüht funken und sogar der Zigarettenrauch bewegt sich zur Musik. Zur Musik, die du machst.

Wir haben uns die Gitarre meines Mitbewohners geklaut, gleich als wir zur Tür rein sind. Ich habe sie dir wortlos in die Hand gedrückt, du hattest versprochen für mich zu spielen, wenn wir uns sehen. Jetzt spielst du für mich, und es hört sich hier so viel schöner an als über die blöden Laptop-Boxen. Ich sitze im Schneidersitz auf meinem Bett, schließe die Augen und versinke in abertausenden Gefühlsregungen. Meine geschlossenen Augenlider offenbaren mir Welten, in die ich vorher noch nie eingetaucht bin. Ich fliege durch einen Tunnel aus Lichtern dessen Ende ich nicht sehen kann, ich stürze einfach nur durch. Normalerweise hasse ich das Gefühl zu fallen, aber das hier ist anders, obwohl sich mein Magen genau so dreht und wendet.

Ich muss aussehen wie ein Vollidiot, wie ich da hocke, die Finger vor meinem Gesicht wirr tanzen lasse, mein Kopf von rechts nach links wippt und meine Schultern sich zum Tackt von oben nach unten bewegen. Ich öffne keine Sekunde lang die Augen, aus Angst all das wäre nur Einbildung und du würdest am Ende doch gar nicht hier vor mir sitzen. Bis der letzte Ton gespielt und die letzte Zeile gesungen ist.

Und als ich die Augen wieder öffne ist es auf einmal ein Jahr später. Der Song hat mich zurückfühlen lassen in diese wunderbare Zeit des Kennenlernens, hat mir die Spannung zurück in den Bauch und die Aufregung zurück ins Herz gekickt – und sie ebenso schnell wieder verschwinden lassen. Ich drücke auf Repeat, und verschwinde noch einmal in den Rauschzustand einer frisch verliebten.

Es gibt da einen Ordner auf meiner Festplatte. Der Tag, an dem ich ihn erstellte war kein besonders schöner. Ich erinnere mich an zittrige Finger und ein Tränenmeer, als ich alles, was mich an diese Zeit erinnerte von meinem Desktop auf die Festplatte schob. Der Ordner trägt den Namen “Schau es dir erst an, wenn du kannst.”
Ich glaube, jetzt kann ich.
Man ist erst bereit, wenn man weiß, dass man bereit ist. Wenn man wieder aufrecht steht und sich vielleicht schon gar nicht mehr an die Zeit und die damit verbundenen Gefühle erinnern kann. Das ist der Moment an dem du dir sicher sein kannst, dass die verstauten Erinnerungen wunderbar sind und nicht etwa alte Wunden aufreißen. Es ist viel mehr wie eine Überraschungsbox, die dich zwar zurückversetzt, aber den Inhalt nicht vermissen lässt. Weil du damit abgeschlossen hast – denn so schön es auch war, zurück willst du nicht.

Ich lege mich ein weiteres mal auf mein Bett, drücke auf Play und fliege davon. Die Zeitmaschine, die ich selbst geschaffen habe, zeigt mir dein Gesicht, unsere Nächste im Blitzlicht, unsere Tage auf engstem Raum, deine vielen weisen Worte, die mich so oft einen Schritt weiter gebracht haben. Sie treibt mir Gerüche in die Nase die mich an wiedersehen an Flughäfen, Nächte nur mit deinem T-Shirt und Erzählungen aus fremden Kulturen erinnern. Nichts davon macht mich unglücklich, es beweist mir nur einmal mehr, warum alles passieren musste wie es passiert ist.

Erinnerungen können etwas schönes sein, lass ihnen nur genug Zeit.

rememberTextur: Shizoo