Ich sitze auf der Treppe unten am Sendlinger Tor und verabschiede mich von meiner Freundin, sie muss in die andere Richtung. Gerade waren wir noch auf einem dieser Bloggerevents, haben Häppchen gefuttert und auf einmal bekomme ich die Nachricht, dass du doch schon früher in München bist. Um mich zu überraschen. Die nächste U-Bahn ist meine. Und deine.

Ich saß noch niemals auf dieser Treppe hier, in vierundzwanzig Jahren nicht, aber ich musste mich setzen, weil mir ein bisschen schwindelig wurde. Schwindelig bei dem Gedanken, dass du in ein paar Minuten vor mir stehen wirst, und so war das doch gar nicht geplant. Ich dachte du kommst erst viel später, wenn ich schon angetrunken im Club stehe und dich von weitem zur Tür reingehen sehe. Dort, wo es dunkel ist und sich keiner dafür interessiert wie wir uns begrüßen. Und dann wirfst du all meine romantischen Vorstellungen, alles was ich mir die letzten Wochen im Kopf ausgemalt habe einfach so über den Haufen – weil wir uns in der U-Bahn treffen.

Zwei Minuten.

Vorgestern noch lag ich abends im Bett, der einzige Lichtschein mein Laptop und dein Gesicht auf Skype. Drei Tage davor warst du für mich nur irgendjemand den ich einmal in Berlin getroffen habe und als ich dich anschrieb, war mir eigentlich nur saulangweilig. Aber irgendwie hörten wir nicht auf zu schreiben, und weil wir uns so viel zu sagen hatten beschlossen wir zu reden. Jede Stunde über den verdammten Macbook Bildschirm hast du dich tiefer in mein Herz gemogelt, und mich hat das so verwirrt, wie sowas denn sein kann, wenn man doch gar nicht voreinander steht. Wenn man sich nichtmal anfassen kann. Und ich wollte dir so gern in die Augen sehen können. In einer Minute kann ich dir in die Augen sehen.

Die U-Bahn fährt ein und ich stolpere über meine eigenen Füße. Auf’s atmen konzentrieren, Angela. Tür auf, einsteigen, Tür zu, ich sehe dich und die anderen von Weitem. Wie zur Hölle soll ich dich begrüßen, wenn die anderen dabei sind? Keiner weiß was die letzten Tage passiert ist. Keiner außer du und ich.
Ich umarme deinen Anhang, sehe dir für eine Millisekunde in die Augen, sterbe tausend Tode und umarme dich, ganz genau wie die anderen, als seist du nur einer meiner Kumpels, weiche sofort zurück und drehe mich jemand anderem zu. Die Stimme meines Gegenübers hört sich an als sei sie ganz weit weg, in meinem Kopf rauscht es als sei die Anlage ausgefallen und mein Herz sagt mir ich solle mich nach links drehen. Ich spüre, wie du mich ansiehst, wie dein Kopf genau so Purzelbäume schlägt, wie du die zwei Meter zwischen uns genau so verabscheust wie ich.

Die nächsten Zwei Stunden erlebe ich wie in Trance. Irgendeine Hausparty. Ständig sehen wir uns an, irgendwann berühren wir uns sogar und ich drohe zu erfrieren, verbrennen und zu ertrinken gleichzeitig. Ich will hier raus, mit dir, allein irgendwo hin, nur nicht hier sein. Jedes mal, wenn ich dir in die Augen sehe erzählen sie tausend Geschichten, schreien mich an dass wir einfach nur kurz vor die Tür gehen sollen, nur eine Minuten allein sein. Und ich schüttle jedes Mal kaum merklich den Kopf. Nicht jetzt.
Alles hier ist farblos, nur du bist wie gezeichnet. Ich weiß nicht mehr ob ich träume oder wach bin, ob das Glas in meiner Hand das Erste oder das Zehnte ist, ob ich kette rauche oder das meine erste ist, ob ich mir deine Berührung im Vorbeigehen nur eingebildet habe oder deine Hände tatsächlich glühen.

Auf einmal setzt sich die Meute in Bewegung. Natürlich, wir gehen ja noch weg, irgendwie sowas. Ich lasse mir Zeit, bis ich aufstehe, viel Zeit. Ich lasse mir Zeit, als ich meine Schuhe anziehe, viel Zeit. Ich will als letztes vor die Tür. Du lässt dir Zeit, als du deine Schuhe anziehst. Viel Zeit.

Als ich die Tür nach Draußen öffne und auf die Straße gehe stehst du bereits da und siehst mich an. Der Rest ist schon vorgegangen. Wir sind allein.
Die Welt um uns rum erfriert, verbrennt und ertrinkt. Ich spüre nichts und alles, jede Faser meines Körpers ist auf dich gerichtet, ich verliere mich in deinen Augen und weiß, dass ich den Weg heraus nicht mehr finden werde. Vor ein paar Tagen warst du doch noch fremd, und auf einmal bist du so vertraut, so wertvoll und unersetzlich für mich. In genau diesem Moment verknotet sich meine Zukunft mit deiner und du gibst mir ein Zuhause.

Und da ist er, der Moment, den ich mir in meiner Vorstellung ausgemalt habe. Nur noch viel besser.

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