“Ich hab’ eine Frage,” beginne ich, “unndu solltest bidde ehrlich antworten.”

Ich sitze mit meinen Freunden vor dem Club, weil es drinnen mal wieder viel zu heiß ist und zum Tanzen sowieso kein Platz. Er wird wieder von irgendjemandem abgelenkt, und als ich mich bereits damit abgefunden habe, dass er eigentlich gar nicht an meiner Frage interessiert ist setzt er sich neben mich. “So”, er zündet sich die eben geschnorrte Zigarette an, “was ist nun deine Frage?” – und wieder meine ich aus seiner Körpersprache rauslesen zu können, dass er lieber woanders sitzen würde. Egal. Ich lalle los: “An welchem Punkt unserererer, äh bisherigen, äh Bekanntschaft hassu gemerkt dass du mich eigentlich garnicht leiden kannss?” Er sieht mich verwirrt an, fragt mich, wie ich darauf komme und betont, dass er mich schon gut leiden könne und ich mir nur wieder was einbilde. In meinem Rausch antworte ich wieder irgendwas bescheuertes und er dampft ab, ohne seine Zigarette zuende geraucht zu haben. Ich lege meinen kopf auf die Schulter meines Nachbarn, nippe am Bier und habe die Situation gleich wieder vergessen. Ich glaube, für einen ganz kurzen Augenblick war es mir sogar peinlich. Aber nur einen ganz Kurzen.

Ich lerne momentan recht viele Männer kennen. Ich glaube manchmal, als Single-Mädchen hat man – ohne es zu merken – eine unsichtbare Anziehungskraft auf männliche Wesen, quasi eine leuchtende Aura die “Hallo ich bin zu haben!” in alle Richtungen brüllt. Da ich aber gerade gänzlich desinteressiert bin an Zweisamkeit, Beziehung oder Gefühlsdramen bin ich es gewohnt, dass man mir hinterherrennt und ich diejenige bin die abblitzen lässt. Man flirtet sich quasi heimlich ran, lässt sich ein bisschen Honig um’s Maul schmieren – und wenn es dann zu heikel wird macht man einen Rückzieher. Bei mir ist das der Punkt, an dem mich jemand nach Telefonnummer oder gar einem Date fragt. Ich hatte tatsächlich noch niemals ein Date. Ich fand es immer spannender sich zufällig Abends über den Weg zu laufen oder sich in einer Gruppe näher zu kommen. Gemeinsam ausgehen, vielleicht sogar zusammen Abendessen, ins Kino, oder was man so tut – ist nichts für mich. Das ist einfach nicht aufregend genug. Manchmal, wenn ich ganz mutig bin, gebe ich meinen Facebook-Namen weiter. So besteht wenigstens nicht die Gefahr, dass man plötzlich angerufen wird. Und chatten kann meiner Meinung nach auch ziemlich spannend sein, gerade für mich, die sich viel lieber schriftlich ausdrückt.

Besagter desinteressierter Typ war einer dieser Kandidaten. Zusätzlich zu der Tatsache, dass er eigentlich ganz cute ist stellte sich irgendwann raus, dass er ebenfalls ein Schreiberherz hat – was einen Mann für mich auf der Interessantheits-Skala weit nach oben katapultiert. Er benutzte Gedankenstriche (ich liebe Gedankenstriche!), seine Worte lesen sich wie Schokolade schmeckt und schon ist die Spannung da, die ich oft unbewusst so vergeblich suche.
Eine Woche später trafen wir uns Nachts zwischen zwei Clubs wieder. Und es war ganz nett, mehr aber auch nicht. Ich verstand nicht, warum zur Hölle er denn nicht all-over me ist. Mein verwöhntes Mädchenhirn war in letzter Zeit nichts anderes gewohnt; und das wurmte mich. Er hatte den Spieß einfach so umgedreht und mich so weit gebracht, dass ich ihm – wieder eine Woche später – um vier Uhr Morgens betrunken diese bescheuerte Frage stellte.

Wenn meine Freundinnen mich fragen, warum der-und-der denn einfach nicht auf sie steht, sage ich immer, dass die Männer nie das wollen was sie haben können. Und ich bin keinen Deut besser, keiner von uns ist das. Wenn jemand hinter mir her ist, renne ich weg, wenn man mir aber den Rücken zudreht bin ich so verwirrt dass ich mich verhalte wie ein Teenager. Plötzlich stehe ich auf der anderen Seite und merke, wie kacke das eigentlich ist. Was für eine verdrehte Welt. Und wenn ich mich jetzt an das Kennenlernen zurück erinnere, habe tatsächlich ich immer die Schritte nach Vorne gewagt. Ich hätte es doch besser wissen müssen.

Ich glaube, eine Zeit lang – gerade wenn man ein mieses Beziehungsende hinter sich hat – kann man das schon machen. Ein bisschen spielen, meine ich. Interesse heucheln obwohl eigentlich keines da ist, nur um sich danach kurzzeitig besser zu fühlen. Nach ein paar Monaten allerdings sollte man sich seinen Egopush woanders holen – nicht auf Kosten anderer. Ich nehme mir das jetzt jedenfalls fest vor.