“Euch sieht man auch echt nur im Doppelpack.”
Ich hebe den Kopf von Julius’ Schulter und grinse ihn an. Er kneift die Augen zusammen, nickt und lacht dabei. Ein Gesichtsausdruck, den ich nur zu gut kenne. Mal wieder sind wir der letzte Rest der Truppe, die meisten sind bereits Heim. “Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?” fragt unser Gegenüber, und Julius beginnt wie immer mit “das ist eigentlich eine ganz witzige Geschichte…”
Er erzählt von Freunden über sieben Ecken, meiner letzten verkorksten Liebesgeschichte und kommt zu dem Schluss, dass wir uns eigentlich beim Feiern kennengelernt haben. Dass wir irgendwie das perfekte Pendant füreinander sind, weil wir eigentlich immer das Gleiche denken und es für uns kaum etwas schöneres gibt als zu Tanzen.

Es gab seit Monaten kein Wochenende, dass wir nicht gemeinsam verbracht haben. Kein Wochenende, an dem wir nicht gemeinsam bis in die Morgenstunden getanzt und danach gemeinsam eingeschlafen sind. Julius wohnt viel zu weit draußen, als dass es sich lohnen würde München am Wochenende wieder zu verlassen, also bleibt er bei mir. Unter der Woche, wenn jeder seinem Alltag nachgeht vermisse ich ihn schrecklich, weil ich mich jedes Mal wieder so sehr an seine Anwesenheit gewöhnt habe. Ich habe selten, vielleicht sogar noch nie, in so kurzer Zeit eine so tiefe Verbundenheit zu jemandem aufgebaut. Ich habe das Gefühl ihn in und auswendig zu kennen und durch die Gewissheit, dass es umgekehrt genau so ist, fühle ich mich sicher. Ich weine über die Männer und Julius über die Frauen, er ist mein bester Wingman. Und ich seine Wingwoman. Ich weiß, dass ich mich auf ihn immer und überall zu hundert Prozent verlassen kann, Julius würde ich alles anvertrauen, sogar meine Katze.
Man sagt so schnell, man könnte zusammen Pferde stehlen. Aber ich sag’s euch, mit Julius kann man Dagobert Ducks Goldkammer ausrauben – und wir würden trotzdem davonkommen. Wenn er am Wochenende mal wieder zu wenig Wechselklamotten dabei hat stecke ich ihn in meine Cardigans, die ihm teilweise besser stehen als mir. Ich weiß, wie er seinen Kaffe trinkt, wann er seine Ruhe will, kann als eine der Wenigen seinen Gedankensprüngen folgen und lese seine manchmal verwirrende Körpersprache absolut immer richtig.

“Aber wie steht ihr dann jetzt so zueinander, seid ihr zusammen?” In seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass er Angst hat, er würde uns mit dieser Frage in eine unangenehme Situation bringen. Aber selbst das haben wir in den letzten Monaten viel zu oft gehört. Wenn Männlein und Weiblein nach Außen hin so vertraut miteinander umgehen wie wir es tun ist das aber auch kein Wunder. Diesmal antworte ich: “Nein, sind wir nicht. Wir haben uns nur furchtbar lieb.”
Es gibt Leute, die möchten ihre Zuneigung füreinander lieber nicht in der Öffentlichkeit breittreten – gerade wenn es um Männer-Frauen-Freundschaften geht. Man könnte ja gleich darauf schließen, man sei ein Liebespaar und dadurch potentielle Interessenten abschrecken. Auch bei mir war das bis dato immer so – bis ich irgendwann aufgehört habe mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Wenn mir danach ist, jemanden in den Arm zu nehmen, dann tue ich das. Wenn jemand denkt, ich sei nun zum anderen Ufer geschippert weil ich Chrissys Hand halte soll’s mir recht sein. Wenn jemand denkt, ich sei sprunghaft was Männer angeht, nur weil ich gern den Kopf auf Schultern lege die ich gern habe – soll’s mir auch recht sein. Ich möchte genau so kennengelernt werden. Gerade bei Julius. Wer Julius nicht mag kann kein guter Mensch sein und ich möchte von Anfang an klarstellen, dass wir eben so miteinander umgehen wie wir es tun – und das sicher nicht ändern wollen nur weil die Außenwelt es falsch interpretiert.

Julius ist momentan eine der wichtigsten Konstanten in meinem Leben und mal wieder ärgere ich mich darüber, dass dieser Text nicht im geringsten das ausdrücken kann was ich gerne sagen möchte. Wenn ich Freitags die Tür öffne geht mir das Herz auf und ich bin Zuhause. Wenn ich dich tanzen sehe überträgt sich deine Freude auf mich, so wie bei Sophie. Wenn wir zusammen im Bett liegen und Techno hören kann ich alles vergessen. Wenn ich dich für zu selbstverständlich nehme, gibst du mir den Seitenhieb, den ich verdiene. Man sagt, Menschen kommen und gehe, aber selbst wenn sich unsere Wege mal trennen sollten weiß ich, dass deine Fußabdrücke bleiben. Wir teilen jetzt schon die Erinnerung an diesen genialen Sommer, der für mich so bitter hätte schmecken können. Wenn ich dich nicht kennengelernt und du ihn mir nicht immer wieder mit deinem viel zu großen Herzen versüßt hättest.

Wenn ich an letzten Sonntag denke, und die Frage, ob lieber “Ich” oder “Wir”… entscheide ich mich für “Wir.” Vielleicht geh’ ich einfach mit dir die Welt bereisen.

“Ich habe meinen Sonntagspost fertig. Er geht über dich.”

Bitte geh niemals wieder weg, ich hab dich nämlich sehr lieb.

julius