Noch niemals hat sie sich so klein gefühlt. Von außen betrachtet ist sie doch genau so groß wie alle anderen im Raum, und doch kommt es ihr vor als sei sie eine Ameise, bereit von den den hungrigen Vögeln gefressen zu werden, und dabei weiß sie nicht mal, ob Vögel Ameisen überhaupt leiden können. Vielleicht würden sie sie auch verschmähen, oder nach dem Schlucken gleich wieder auskotzen, weil sie widerlich bitter schmeckt. Momentan, genau jetzt gerade, fühlt sie sich als sei die ganze Welt gegen sie, als sei eine Armee aus Pumpguns auf sie gerichtet, und dabei hat sie doch nur eine einzige Blumen, die sie in einen einzigen Lauf stecken kann. War sie nicht so hoch gewachsen die letzte Zeit? Was sucht sie nur dort unten, wo die Hoffnung gar nicht hin möchte, nicht mal in die Nähe. Die schwebte doch dort oben über die Tanzfläche, mit ihren Füßen, die niemals still hielten, niemals nie. Eine verirrte Seifenblase ist sie, eine von den ganz kleinen, die es nichtmal aus diesem scheiss Pustegerät schaffen, sondern schon zerplatzen, bevor irgendjemand sehen konnte, wie schön sich das Sonnenlicht in ihr bricht, in rot, blau, gelb, alles. Alles.
Kennst du das, wenn du auf die eine Stelle im Song wartest, und dein Herz anfängt zu pochen, du dich bereit hältst für die eine besondere Zeile, Hände hochreißt, lostanzt, losbrüllst, für diesen einen Moment? Zu hundert Prozent weißt du, dass es gleich so weit ist, und dann… dann passiert nichts, die Stelle hängt. Es bleibt ein kurz davor, und die Aufregung in deiner Brust stiftet Verwirrung, und die Freude bleibt dir im Hals stecken, und auf einmal schmerzt das Pochen nur noch, weil es einfach nicht passiert, es passiert einfach nicht, wieso passiert es nicht? So sehr hast du dich gefreut, so wunderbar war alles, und jetzt, jetzt fällt die größte Freude in sich zusammen wie ein scheiss Kartenhaus, nein, noch besser, du siehst dein eigenes Gesicht noch im Spiegel bevor er in tausend Stücke zerschellt – und du dich selbst nicht mehr erkennst.

Noch niemals hat sie sich so klein gefühlt.
Kurz bevor es zu schlimm wird, kurz bevor sie gefressen wird, zerplatzt und ihre Beine nur noch eine Träne davon entfernt sind einfach wegzulaufen und genau so weiterzumachen wie bisher, färben sich die Gewehrläufe Lila, werden wie Gummi und knoten sich selbst zu Schleifen. Die Hände um den Abzug lassen locker und greifen nach ihr, unter die Arme, vorsichtig um den Hals, wischen Tränen weg und sie blickt wieder in Gesichter, die ihr nur all zu vertraut sind. Gesichter die sie schon Jahre kennt, eines schöner als das andere, und Stimmen die sagen, dass sie sie vermissen. Und plötzlich merkt sie, dass der Raum nicht gefüllt ist mit Vorwürfen und Missgunst, sondern ganz viel Liebe und Sorge. Keiner will ihr was böses, sie wollten sie nur wachrütteln und sagen, dass die Veränderung, die sie durchmacht, zwar positiv ist, aber sie den Blick aufs wesentliche verloren hat, auf das was wirklich zählt. Nämlich die Menschen hier im Raum.

Und sie.

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