Ich bin ein Landkind. Zumindest behaupte ich das immer. Ich habe in Höhenkirchen meine Jugend verbracht, gemeinsam mit Tanja und Ludwig, habe Eier aus dem Eierautomaten geholt und heimlich meine erste Zigarette hinten auf meiner Lieblingsbank geraucht. Über’s Feld musste man laufen, bis zum Waldrand, dort wo niemand uns sehen konnte. Manchmal bin ich alleine hin, habe mich hingelegt und Musik gehört mit meinem grottigen Mp3-Player, oder Texte wie eben diesen hier in ein Büchlein geschrieben.
Auf dem Weg nach Italien machen Chrissy und ich einen Stop bei meinen Großeltern in Kärnten und beschließen die paar Stunden und das Wetter zu nutzen um den Berg hinter Omas Haus hochzulaufen. Wir steuern die Pferdekoppel an und ich versaue mir meine neuen, weißen Vagabonds, weil wir die Abkürzung durchs Feld nehmen. Daheim hätte ich mich jetzt fürchterlich geärgert, hier ist es mir egal.
Wir stehen bestimmt eine halbe Stunde am Gatter. Früher bin ich ein bisschen geritten, hatte aber irgendwie immer zu großen Respekt vor Pferden. Ich stehe lieber davor und drücke meine Hände an warmen Nüstern, klopfe auf starke Flanken und führe einen relativ einseitiges Gespräch. Neben uns huscht ein junges Kätzchen vorbei, fixiert auf die davonrennende Maus – und als ich ein “Oh nein, die arme Maus!” rufe dreht sich diese auf einmal um und verfolgt das Kätzchen. Ein Spiel, mehr nicht. Nebendran stehen die Ziegen, die prompt auf unsere lockenden Rufe reagieren und sich ausgiebig streicheln lassen. Chrissy und ich beschließenn, dass wir – wenn wir dann mal eingetragene Lebenspartner sind – auch lieber auf dem Land leben möchten, mit ein paar Ziegen, Kühen, Hühnern, und natürlich Katzen. Selbstversorger spielen, das wär’s. Der Besitzer der Koppel kommt zu uns, wir plauschen ein bisschen und prompt läd er Chrissy ein irgendwann mal mit ihm auszureiten. Wenn wir zurück sind aus Italien.
Ein paar Wochen später sitzen wir gemeinsam im Auto und fahren raus nach Wolfratshausen, ein paar Freunde besuchen. Eigentlich könnten sie alle weg aus Wolfratshausen, weiter in die Stadt rein, dann müsste man sich am Wochenende nicht immer den Stress geben Nachts eine Stunde S-Bahn zu fahren. Aber ich habe so das Gefühl, dass sie alle an ihrer Heimat hängen. Jeder weiß nach welcher Kurve man wieder auf’s Gas drücken kann, man kennt jedes Gesicht auf der Straße und außerdem gibt’s direkt nebenan das beste Eis im münchner Umland. Morgens aus dem Fenster gucken und das Alpenpanorama auf sich wirken lassen, mal eben rüber zum Starnberger See, der riesige Garten um’s Grundstück von Mamas Haus. Und im eigenen Zimmer erzählen Bilder an den Wänden die Geschichten von ewigen Freundschaften, verlorenen Lieben und ersten Räuschen.
So sehr ich das Stadtleben mag, den Döner um die Ecke und die Tatsache dass ich von fast überall zu Fuß nach Hause laufen kann vermisse ich manchmal die Unbekümmertheit des Landlebens. Die Ruhe, die nervigen Kirchenglocken und den Wind, der zwar beißenden Düngergeruch in die Nase treibt aber mich Jahrelang mit sich über’s Land getragen hat. Die Landluft ist die einzige, die ich tief einatmen kann, die mich jeden Stress vergessen lässt und in mir den Wunsch weckt vielleicht doch hier draußen irgendwo alt zu werden, in einer Rentner-WG im Bauernhaus, mit Chrissy, Ludi und Tanja. Und dem Wind.
Wunderschöner Text.
Mir geht es auch so, mit dem Landleben.
Ich komm aus einem verschlafenen Dorf auf dem Land, habe aber 3 Jahre in Barcelona gelebt.
In Barcelona fällt mir mittlerweile alles auf den Kopf, irgendwie ist in der Stadt alles so schnelllebig.
Ich gehe deshalb im September zurück nach Hause, aufs Land.
Wenn auch nicht für immer, aber dort scheint die Welt immer ein klein wenig mehr in Ordnung und vor allem gibt es so schöne klare Luft und vor allem ganz viel Natur.
Finde ich sehr sympathisch und bodenständig deinen Text :) bin auch Landkind und weiß das Kühe nicht lila sind, wie man immer so schön sagt :D hab bisher noch nie in der Stadt gelebt aber wenn dann auch lieber Vorstadt und später im Alter wieder Land :) bin ja so reisebeigeistert und auch immer froh wenn ich von nem Städte Trip wieder dahoim bin! (so wie heute war nämlich die letzten Tage in Düsseldorf)
Liebste Grüße <3
Liebe Angela, du sprichst mir aus der Seele. Gerade erst gestern bin ich nach einigen Wochen, in denen mich die Arbeit aufs Extremste stresste, bei meinen Eltern angekommen. Viel zu lange war ich schon nicht mehr hier. Mein erster Gang ist immer an den Gartenzaun, um einmal den Blick über die Felder schweifen zu lassen und in den Momenten ist irgendwie alles in Ordnung. Es ist doch so schön und so viel Wert, wenn man einen Ort hat, an dem man so abschalten kann und das von einem Moment auf den anderen. Hach, wie gern würde ich zwei Wochen hier bleiben!
Ich mag die Texte auf deinem Blog so, das macht ihn so besonders!
ach angela, ich bin ja echt kein dorfkind, aber du weckst da grad echt so eine sehnsucht in mir…
heute habe ich mit swen besprochen, welche tiere ich gerne alle hätte
(ganz viele katzen, eine englische Bulldogge, ein kleines äffchen, ein mini känguru, einen raben, eine fledermaus und vielleicht einen papageien) und wir haben auch festgestellt, dass sich das in der großstadt leider nicht umsetzen lässt. :DDDD
Okay, du darfst in unsere Renter-WG einziehe. Swen auch. :D
Ich lebe selbst auf dem Land und kann das alles ganz klar nachvollziehen! Wenn man hier gross geworden ist, zieht es einen vllt. eine Zeit lang in die Stadt, aber man ist und bleibt ein Dorfkind und man wird sich sicher dort immer zuhause fühlen!
Gott, ich muss gerade einfach heulen. Wunderschöner Text, wie immer mitten ins Herz. Und ja, ich hab exakt jetzt Heimweh. Nach Bayern. Nach Würzburg. Nach Freunden, Familie. Geborgenheit.
Danke für deine wunderbaren Texte.
Viele Grüße aus Berlin
Ich bin aus der Nähe von Wolfratshausen. Und ja, die S-Bahn Fahrerei nervt :D Ich studiere in München und bin deswegen Dauerfahrgast.
Aber wenn man nach einem anstrengenden Tag mit vollen öffentlichen Verkehrsmitteln, Lärm und viel zu vielen Menschen nach Hause kommt, die Kühe dort nur faul auf den umliegenden Wiesen stehen, mein Kater ganz malerisch inmitten der Gänseblümchen im Garten schläft und die Gehwege um sechs Uhr abends hochgeklappt werden, merkt man wie schön es doch sein kann – dahoam is hoid dahoam :)
Ich lebe auch auf dem Land und hier ist es
am schönsten. Ich kann jeden Tag reiten, an den See fahren und schwimmen…