„Angela, mogst an Kaffee?“

„Freile“, sage ich, hieve meinen faulen Hintern aus den Federn und schleife meinen noch schlafenden Kadaver rüber in die Küche. Kurz nach dem Aufstehen funktioniert meistens nur eine meiner Gehirnhälften, also setze ich mich schlaftrunken auf meinen Platz in der Küche und starre mit halbgeschlossenen Augen aus dem Fenster. Nach ein paar Minuten fällt mir ein, dass wir ja eigentlich Kaffee trinken wollten, und als ich gerade schwerfällig in Richtung Kaffeemaschine begeben möchte stellt Beni bereits die dampfende Justin Bieber Tasse vor mir ab, kippt seine Milch rein – weil meine natürlich wieder leer ist – und stellt den Zucker daneben.
„Hatte ich überhaupt noch Kaffepads?“, frage ich, „Nöö“, antwortet er lachend, er kennt die Leier ja, und mich plagt ein bisschen das schlechte Gewissen. Er hockt sich mir gegenüber und erzählt, dass seine Prüfungen jetzt bald vorbei sind, dass er nurnoch Chorleitung und Rhythmik und Musikgeschichte schreiben muss und dann erstmal auf Abschlussfahrt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich hier schon saß, wie oft wir in den letzten zweieinhalb Jahren hier saßen. Beni hat immer was zu erzählen, weil er ständig irgendwo auf der Welt unterwegs ist. Letztens Türkei, davor Schweden, den ganzen Balkan ist er abgefahren und bald geht’s nach Kanada. Dann kommt er wieder zurück, wir sitzen wieder hier und er erklärt mir die Welt, weil er sie so viel besser kennt und versteht als ich. Wir beide sind so grundverschieden wie zwei Menschen nur sein können – ich, das Modemädchen mit dem Designstudium, die es am Wochenende gern mal übertreibt und noch niemals länger als 6 Wochen weg war aus der Heimat. Und dann er, absolut kein Feiertyp und der totale Weltenbummler, der lieber in Museen geht und mit seiner Freundin fremde Städte besucht um nur noch mehr Wissen in sich aufzusaugen. Und jedes mal treffen wir uns wieder hier, in unserer Küche, und erzählen aus zwei vollkommen verschiedenen Welten.
Ein paar Leute meinten damals, ich würde den Beni sicher nicht lange aushalten, weil er eben so ein Quatschkopf ist und NUR, ich wiederhole, NUR Blödsinn im Kopf hat. Ich habe niemals verstanden, warum das eine schlechte Eigenschaft sein soll.

„Jetzt sind’s nur noch zwei Wochen“, sagt er auf einmal. Ich starre ihn an und nicke. Es ist so seltsam. Es kommt mir vor, als habe ich erst gestern das “01.12.2011 – BENI” mit Kreide an seine Zimmertür gekritzelt. Ich kenne den Beni seit zehn Jahren, und irgendwie fühlt sich das hier an als würde ich Scheidungspapiere unterzeichnen. Wenn du mit jemandem eine so lange Zeit zusammenwohnst wirst du eine kleine Familie. Beni, Sherry und ich. Bengela eben. Wir haben uns kein einziges mal gestritten in zweieinhalb Jahren. Der Beni kennt mich ungeschminkt, verkatert, verheult und krank. Er hat sich zu mir auf’s Bett gesetzt wann immer mir die Männer (mal wieder) das Herz gebrochen haben, eine heulende Angela mit verletzter Sherry zum Tierarzt gefahren und mir immer wieder verziehen, wenn ich Herdplatten angelassen habe. Ich werde ihn so schrecklich vermissen, dass ich gar nicht weiß, wie ich es in Worte fassen soll.

Ich werde es vermissen dich schimpfen zu müssen, wenn du mal wieder die Sherry aus ihrem Schlaf reißt nur um sie zu ärgern. Ich werde es vermissen jemanden zu haben der mir einfach so all meine blöden Fragen beantworten kann und mich nicht verurteilt, wenn ich mal wieder blauäugig durch die Welt laufe. Ich werde es vermissen mit dir den gesamten Aldi leer zu kaufen, und dass du immer zu viele Nudeln kochst. Ich werde es vermissen dich Klavierspielen und singen zu hören (nur die Trommel, die werde ich nicht vermissen). Ich werde dich vermissen, weil du immer Schokolade hast, und weil du alles einfach so reparieren kannst. Ich werde es vermissen, wie oft du mich (ja, meistens auf meine kosten) zum lachen bringst, und dass du die Sherry genau so lieb hast wie ich.

Ganz besonders werde ich es vermissen in der Küche mit dir Kaffee zu trinken, und ich mags mir gar nicht vorstellen, dass du bald nicht mehr hier sitzt, bestimmt für längere Zeit, weil du nicht nur aus unserer Wohnung, sondern auch aus dieser Stadt fortgehst. Du hast deinen Weg lange gesucht, ihn in der Musik gefunden und wandelst nun weiter auf Basslines mit der Liebsten an deiner Seite durchs Leben. Und auch wenn Sherry und ich dich eigentlich gar nicht gehen lassen wollen wünschen wir dir von ganzem Herzen, dass du immer das bekommst was du dir wünschst, dass du niemals niemals aufhörst deine Träume zu verfolgen und uns beide und die schöne Zeit, die wir miteinander hatten, nicht vergisst.

Wir haben dich sehr lieb.

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