“Mir geht es eigentlich ganz gut, ich vermisse nur.” sage ich schulterzuckend. “Ah, klar, verstehe.” Ein mitleidender Blick, vielleicht ein Schulterklopfen. Ich nippe noch ein letztes Mal an meinem Bier und beschließe nach nur eineinhalb Stunden wieder nach Hause zu gehen. Heute ist nicht mein Tag, heute ist es besonders schlimm.Die meisten dieser Menschen hier haben das Glück nicht zu wissen wie es ist jemanden ständig, ohne Pause, ohne einmal durchschnaufen zu können vermissen zu müssen. Der Duden definiert Vermissen folgendermaßen: “Sich mit Bedauern bewusst sein, dass jemand, etwas nicht mehr in der Nähe ist, nicht mehr zur Verfügung steht, und dies als persönlichen Mangel empfinden.” Nicht in der Nähe. Hunderte von Kilometer, manchmal sogar tausende. Ich habe keinen Liebeskummer. Liebeskummer bedeutet, dass jemand niemals wieder “zur Verfügung” stehen wird, Liebeskummer ist die gebrochene oder unerwiderte Liebe, eine fiese Wunde die allein die Zeit heilen kann. Jemanden zu vermissen, der aber eigentlich gleich hier neben dein Herz gehört bedeutet zu warten. Immer. Überall. Den ganzen Tag. Tage zählen, Stunden zählen, oder noch schlimmer: Gar nicht wissen, wie viele Tage man denn nun zählen muss.
Sobald ich die Tür öffne verlassen Normalität und Alltag meine Wohnung. Ich denke nicht an mein Handy, meinen Computer, ich vergesse zu essen, möchte niemanden sehen – aus Angst ich würde etwas verpassen, wenn ich meine Aufmerksamkeit für nur eine eine Sekunde auf etwas anderes richte. Alles was ich brauche ist hier. In diesen wenigen Stunden der Zweisamkeit vermisse ich noch mehr – weil mir immer wieder bewusst wird, dass es viel zu bald wieder vorbei sein wird. An diesen Tagen, an denen ich nicht allein sein muss lache ich genug für die nächsten Wochen. Die nächsten Wochen in denen es wieder nicht viel zu lachen gibt.
Jedes mal wenn ich die Türe wieder schließe lege ich mich in mein Bett und versuche Alltag und Normalität, die bereits an mein Fenster hämmern für ein paar Sekunden länger auszusperren. Versuche so viel wie möglich vom übrig gebliebenen Geruch einzusaugen oder mir lange genug einzureden dass die Tür gleich wieder aufgeht.
Als ich vor Jahren einmal “The absence is only physical, my love” las war ich so begeistert. Ich hatte mir den kompletten Blog in kürzester Zeit durchgelesen. Es war die Gefühlswelt einer vermissenden Person, irgendjemandem der seine Identität nicht preisgeben wollte, aber den Gefühlen einen Ausdruck verleihen musste. Wenn ich es nun wieder lese sind die Worte zwar die Gleichen, aber der Ort an dem sie aufprallen ist ein anderer. Manchmal lese ich all diese Zeilen nur weil ich das Gefühl habe hier steht das, was ich denke. Hinter den Worten steht jemand, der mich verstehen würde. Weil es sonst keiner tut.
Am Ende des Tages aber, wenn ich mich wieder in Selbstmitleid suhle und mir einbilde es könnte nicht schlimmer sein mache ich mir bewusst wie wunderbar das alles eigentlich ist. Vermissen heißt verliebt sein. Wenn du vermisst weißt du, dass dir jemand wirklich etwas bedeutet. Es gibt da draußen jemanden, der dich ebenso vermisst. Je mehr wir vermissen, desto mehr freuen wir uns auf ein Wiedersehen. Je schlimmer der Abschied, desto schöner der Moment in dem derjenige wieder vor der Haustür steht.
Der größte Abschiedschmerz bedeutet nur noch mehr Freudentränen. Und the absence is only physical.
Vermissen ist das leerste volle schmerzhafteste Gefühl der Welt, wenn du weißt dass der andere Mensch dich bereits vergessen hat und du das Warten doch nicht aufgeben kannst.
danke, jetzt hab ich mal fett angefangen zu heulen. wahre worte und kopf hoch, wer so etwas übersteht der weiß dass die beziehung beinahe alles überstehen kann. fühle dich mal fett gedrückt!
<3 ich kenne das gefühl auch zu gut. schön geschrieben. schön. und jetzt wurd ich dran erinnert, dass ich die nächsten anderthalb monate auch wieder nur vermissen werden. ach maaaaan…
alles liebe, viele grüße!
Ich kenne das Gefühl zu gut. Ich führe eine Fernbeziehung und heut um 17 Uhr steht der Abschied wieder einmal bevor. Ich mag noch gar nicht daran denken…
Ich kann eigentlich nicht viel mehr dazu sagen, das hast du schon alles getan, aber genau das ist es, was ich Monat für Monat habe. Und je schlimmer der Abschied ist und die Tränen fließen, wenn ich mit dem Bus aus der Stadt hinaus fahre, um so länger dauert die Umarmung, wenn ich einen Monat später wieder aus dem Bus steige. In meiner Herzensstadt, meinen Herzensmenschen. Und trotzdem weiß ich nicht, was das ist und was ich davon erwarten kann.. Lach das nächste Mal eine Runde für mich mit und ich mach es für dich. Je mehr desto besser!
Wundervoll. Ich liebe deine Texte. Man kann sich darin einkuscheln und wiederfinden, wenn man will. Und nun muss ich mich dringendst davon abhalten, dass ich nicht auch komplett in den verlinkten Blog versinke, habe schon angefangen, aber lernen sollte gerade erste Priorität sein. Doch das Herz will immer was anderes und drängelt sich vor.
Einen wunderbaren Sonntag wünsche ich Dir!
Oh nein, mein Herz. Erst heut morgen hab ich meinen Freund am Bahnhof verabschiedet. Wir sehen uns nur aller zwei Monate, da er in Budapest studiert. Du hast mir so aus dem Herzen gesprochen. Immer, wenn mich Leute fragen, wie wir das machen und wie das funktioniert, sag ich, dass das Gefühl am Bahnhof oder die Sekunden, in denen ich weiß, dass gleich die Tür klingelt einfach unbeschreiblich sind. Vermissen ist eines der schlimmsten und schönsten Gefühle zugleich. Ich hab auch erst gelernt, was ich für jemanden empfinden kann, als ich denjenigen so richtig vermisst habe. Und das nicht, weil er mal an einem Wochenende nicht da ist. Sondern, weil zwischen uns seit anderthalb Jahren 700 Kilometer sind.
Wtf Du bist echt genial mit deine Worten und zufällig bevor ich gerade diesen Post gelesen habe, habe ich überlegt über das gleiche zu schreiben aber als Art Ratgeber oder so. Führe auch eine Fernbeziehung, jedoch waren wir vorher schon 3 Jahre zusammen und da ist es irgendwie nochmal anders. Besser oder schlechter will und kann ich nicht beurteilen, aber für mich war’s schon hart genug. Und wenn du jetzt vielleicht denkst, er studiert irgendwo oder so, falsch gedacht denn er ist Seeman in Ausbildung und das ist noch beschissener haha :D fühl dich gedrückt und denke immer an das gute in eurer Beziehung und was du am anderen hast und nicht an das was dir fehlt wenn er weg ist :) mir hilft das!
ich fühle absolut mit dir, hab das auch zwei jahre lang so gefühlt, wie du das beschrieben hast.
ich wünsch dir viel kraft für die anstehenden tage!
Ich hasse vermissen, vermissen ist wirklich härter als Liebeskummer. Superschön geschrieben, dein Text!
Aber du hast Recht: Wenn man jemanden vermisst, dann heißt es, dass die Gefühle noch lebendig sind. Wenn ich auch nach Monaten noch über eine Nachricht lächeln kann, wenn ich ihm immer noch schreibe, weil ich gerade an ihn denke oder weil ich etwas Witziges mit ihm teilen will, obwohl ich weiß, er wird es wegen der Zeitverschiebung erst 6 Stunden später lesen und dann ist es nicht mehr witzig, dann weiß ich, dass ich immer noch verliebt bin. Und wenn ich trotzdem nach 6 Stunden eine witzige Antwort bekomme, dann weiß ich, dass er auch immer noch verliebt ist und dann weiß ich, dass wir es vielleicht doch durchstehen können.
Schönen Sonntag wünsch ich dir! :)
Ich dachte eine Zeit lang auch so, bis ich irgendwo gelesen habe: “Vermissen bedeutet nicht, dass du diese Person (zurück)willst. Vermissen ist ein Teil des Verarbeitungsprozesses.” na ja, irgendwie so. Du weißt bestimmt, was ich meine.
Seitdem versuche ich es so zu sehen. Vielleicht hilft es dir ja auch.
Dein Text hat mich wirklich gerührt, da du es geschafft dieses diffuse Gefühl des Vermissens wunderbar in Worte zu kleiden.
Leiden gehört scheinbar zu wahrer Liebe auch immer irgendwie ein kleines bisschen dazu. Aber es freut mich vorallem, dass du diesen Bolg liest. Ich habe ihn damals regelmäßig gelesen und nicht nur am Ende ein paar Tränchen verdrückt.
Ganz liebe Grüße
Stephanie von http://stephaniesternenstaub.wordpress.com/
Du sprichst mir aus der Seele…ER ist seit August in Österreich…wir sehen uns ca. alle 2 Monate und wenn wir uns verabschieden wissen wir in der Regel noch nicht wann wir uns wieder sehen…das ist das schlimmste weil man sich dann nicht mit zählen durch die Wochen hangeln kann: “…nurnoch 8 Wochen bis…” Da ich für 6 Monate auch nicht zu Hause bin habe ich leider nicht so viele die mich zur Zeit ablenken..Fühl dich mal gedrückt! Ich muss jetzt noch ein bisschen schluchzen weil dein Text so schön war <3
Vielen vielen Dank für die schönen Worte. Ich kenne das Gefühl nur zu gut, kann es nur nicht so gut in Worte fassen, aber dafür lese ich ja deinen Blog, weil du genau das aussprichst wozu mir die Worte fehlen! Danke!
Schönster Blogeintrag, den ich je gelesen habe.
Unglaublich ehrlich & gut getroffen!
Du sprichst mir da gerade direkt aus dem Herz. Ich habe jetzt schon wieder riesen Schiss davor, aber ich weiß, dass das Vermissen dieses Jahr ganz furchtbar oft da sein wird..
Wow, das ist wirklich schön geschrieben. Kann mich da voll und ganz reinversetzen. Nur leider muss ich mich, glaube ich, damit abfinden, dass dieses Warten und Vermissen völlig sinnlos ist. Hmpf.
Du sprichst genau das aus, was ich fühle! Danke, für diesen wunderbaren Text!
Ein wunderwunderwunderschöner Post!!!
Mein Freund zieht bald für 6 Monate auf die andere Seite der Erde – und ich habe solche Angst davor, so sehr. Und dieser Text hat mir gerade gezeigt, was bevorsteht …. trotzdem danke dafür, irgendwie