Wir stehen vorne rechts, direkt neben dem Gang zu den Toiletten – ein perfekter Platz für mich, muss ich für gewöhnlich von einem Bier bestimmt drei Mal dort hin. Auf Konzerten ist so etwas immer besonders ungünstig, ich mache mir nur ungern mit “Entschulidung…darf ich mal… ich muss wieder zurück zu meinem Kumpel…” unbeliebt. Wir haben Beinfreiheit und sind doch nur ein paar Meter von der Bühne entfernt, besser geht’s nicht. Meine Begleitung ist gerade noch einmal zur Bar geflitzt bevor es losgeht, ich verteidige derweil unsere Plätze.
Der Junge neben mir mit der viel zu großen Carhartt-Beanie steckt sich eine Zigarette an. Er lächelt zu mir hoch (er ist gut einen Kopf kleiner als ich) und fragt, auf was für Konzerten ich dieses Jahr sonst schon so war. “Auf nicht so vielen” antworte ich, er zählt mir stolz zwischen zehn und fünfzehn auf die er besuchte, ich kenne genau zwei der Künstler von denen er da spricht. “Darf ich fragen wie alt du bist?” sage ich vorsichtig. “Dreizehn. Aber in einer Woche vierzehn!” Ungläubig starre ich auf die Kippe in seiner Hand. Ich würde gern etwas sagen, möchte ihm aber den Abend irgendwie nicht mit schlauen Mutti-Sprüchen vermiesen. Ich bin mir sicher er weiß genau dass er das da – eigentlich nicht darf. Ein Mädchen links neben mir meldet sich zu Wort: “Oh, darf man hier rauchen?” – “Nö”, sagt der Junge. Aus einem weiteren Gespräch mit dem Mädchen ergibt sich dass sie nun sechzehn ist und ihre Begleitung achtzehn, ich fühle mich unendlich alt.

Als mein Kumpel Luxi wiederkommt und mir mein Bier in die Hand drückt erzähle ich ihm von den beiden, er schüttelt ungläubig den Kopf. “Klar finden sie Prinz Pi gut. Er ist einfach gut,” beginnt er, “aber ich kann mir nicht vorstellen, dass all diese Kids hier… wie soll man es sagen…” er trinkt einen Schluck, “dass sie das, was er auf seinem neuen Album schreibt so verstehen oder fühlen wie wir es tun. Das soll jetzt kein ‘wir sind die wahren, echten Fans‘-gequatsche werden, aber keiner von ihnen weiß wie es ist endlich sein Abi in der Tasche zu haben, auf eine Ersti-Party zu gehen, Student zu sein. Ich meine, klar, bei uns beiden ist all das auch schon drei bis fünf Jahre her – aber gerade in unserem Alter versteht man doch erst was für eine unfassbar geile Zeit dass damals war. Erst wenn es lang genug her ist fängst du an diese unbeschwerte Zeit zu vermissen. Deswegen schreibt er meiner Meinung nach auch erst mit dreißig so ein Album.” Ich nicke zustimmend und muss bei Kompass ohne Norden doch tatsächlich fast weinen. Dammit.

Nach dem Konzert stehen wir noch ewig draußen, quatschen über Gott und die Welt, neue und alte Liebe, gute und schlechte Zeiten. Eine geschlagene Stunde nach Konzertende beschließen wir unsere Becher zurück zu geben und die Jacken zu holen – keine Sekunde zu früh, denn der Mann am Halleneingang lässt mich nur passieren als ich ihm Becher und Pfandmarken zeige.
Und als ich da am Merch-Stand niemand anderen als E-rich und Friedrich himself stehen sehe entscheide ich mich für den ersten Fangirl-Moment meines Lebens:
Ich laufe zu E-rich, sage ihm schnell, dass er das Nächste mal DJ Laptop mitbringen und einen seiner eigenen Songs spielen soll weil ich ihn ganz großartig finde, gehe rüber zum Fritzi und halte ihn gerade noch so auf. Als wir uns beide in der Kamera sehen schimpfe ich noch ein “…das ist jetzt aber voll nicht meine Schokoladenseite” vor mich hin, er lacht nur, es macht knips, und er sagt noch: “Meine auch nicht.”

Mit der Begeisterung eines kleinen Mädchens halte ich dem Luxi mein Handy vor die Nase, hüpfe im Kreis und singe: “Ich hab’ ein Foootooo, und duuu nicht!” Wir lachen und beschließen, dass dies ein sehr, sehr guter Abend war.