Mein Kopf schwimmt. unbewusst picke ich den letzten Rest Apfel- und Pfirsichstückchen aus meinem leeren Sangriabecher und erfreue mich meiner angenehm wärmenden Trunkenheit. Beim Anblick der brausenden Küste, dem Meer, dass nach hinten Richtung Horizont langsam in tiefem Schwarz verschwindet und fast nahtlos in den wahrscheinlich schönsten, klarsten Sternenhimmel übergeht den ich jemals gesehen habe, lässt mein Herz Purzelbäume schlagen. Jeden Tag wieder, wenn ich hier stehe und ins nichts gucke, habe ich das dringende Bedürfnis, die arme auseinander zu reißen, ganz so als wolle ich die See willkommen heißen. Ganz so, als hoffte ich sie würde mich hochheben und mit sich tragen.
Meine nackten Zehen platschen im Tackt zu irgendeiner Kopfmusik auf den nassen Sand. Ich mag meine Straßenkinderfüße. Total verdreckt, braun gebrannt, voller kleiner Narben und Kratzer, hie und da ein Mückenstich. Ich trage keine schuhe im Urlaub, ich gehe so viel barfuss wie nur möglich. Anfangs verursachten die kleinen Kieselsteine auf dem Campingplatz noch fiese, stechende Schmerzen, mittlerweile spüre ich das kaum noch. Mittlerweile kann ich darauf tanzen.

“Angela!” ruft es hinter mir. Jemand kommt angerannt. “Alles okay? Du bist auf einmal aufgesprungen und wie eine irre zum Wasser gelaufen!”
“Ich wollte doch nur gaans kurs ans Meehr..”
Das hörte sich doof an. Mein grinsen fühlt sich doof an. Ich sollte ganz dringen schlafen gehen. Zusammen gehen wir ein Stück weg vom Meer, kurz vor den Hügel, der uns Morgens ein bisschen vor der Sonne schützt. Irgendwo da hinten auf dem Campingplatz habe ich sogar ein Zelt, jaah. Ab der zweiten Nacht aber schon habe ich mich überreden lassen am Strand zu schlafen und habe mein Zelt seither nicht mehr betreten.

Nachdem ich meine Füße, meine Matte und mein Kopfkissen oberflächlich vom Sand befreit habe, setze ich meine Brille auf (ja, auf!) und kuschle mich in meinen Schlafsack. Keinen stört es, als ich leise, halb flüsternd anfange blöde Lagerfeuerlieder zu singen und dabei wie hypnotisiert nach oben blicke.
So liege ich da, den Blick auf die Milchstraße gerichtet, Sternschnuppen zählend und summend, bis ich alle anderen in den Schlaf gesungen habe und mir irgendwann auch selbst die Augen zufallen, das Meeresrauschen in den Ohren, all der Stress und die Probleme irgendwo da draußen. Ich bin hier unerreichbar.

Um halb neun werde ich wieder aufwachen weil die Sonne ganz fürchterlich in der Nase kitzelt, werde mir meine Hörer in die Ohren stecken, Sonnenbrille auf (ich seh’ wie Bruce Willis aus) an der Küste entlang joggen, mich unter all den Angelruten durchbücken, Samy dabei zuhören wie er sein Poesiealbum schreibt um anschließend fix und fertig ins Meer fallen.

Barfuss, versteht sich.