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Als ich vor 8 Jahren aufhörte Fleisch zu essen, war diese “Phase” (ich nenne es gerne “Phase”, weil nicht nur mein Umfeld sondern auch ich selbst noch dachte es wäre eine) schlichtweg ungesund. Zumindest in den Augen vom Rest der Welt. Heutzutage weiß man es besser – damals aber war man fest davon überzeugt, dass ein Vegetarier gar nicht gesund leben kann. Und als Veganer ist man ja eigentlich schon im Grab. Der Mensch braucht Fleisch. Der Mensch braucht tierische Eiweiße, irgendwann würde ich außerdem an Eisenmangel leiden und schwächlich umherkriechen, weil ich so viel abnehmen würde. Das war das Bild eines Vegetariers damals: Dünn, schwach, verbittert, missionierend.

Mir war das egal. Auch ich dachte tatsächlich, all diese Vorurteile würden stimmen – damals gab es nur sehr wenige Gegenstimmen, und wenn, wurden sie nicht ernst genommen. Ich entschied mich also bewusst dazu, in Zukunft “ungesünder” zu leben als andere – zum Wohl des Tieres. Aber das war das mindeste Problem. Ich war damals neunzehn und mein Körperbewusstsein lag bei minus zwölf. Mir war es egal, ob ich gesund lebe oder nicht, oder was in Zukunft mit meinem Körper passieren würde. Im Teenageralter ist sowieso alles egal. Da macht man sich keine Gedanken darüber, ob man mit 60 noch fit ist. Am Besten jung sterben, niemals alt, faltig und grau werden, im Alter hat man sowieso keinen Spaß mehr. Ich hätte damals niemals gedacht, dass ich irgendwann mal den Wunsch verspüren würde, zur Ruhe zu kommen, dass alt sein vielleicht sogar wunderschön sein könnte.

Und die Tatsache, dass alle Vegetarier “dünn” sind, fand ich sowieso spitze. Ich fand mich ohnehin zu dick (ich war es nie!) und jagte verzweifelt einem total verzerrten Schönheitsideal hinterher. Ich hatte ohnehin eine typische Teenager-Essgestörtheit (ich las mir sogar regelmäßig irgendwelche hirnrissigen Pro-Ana-Tipps durch), und wenn man als Vegetarier zwar ungesund lebt aber dafür dünn ist? Bitte immer her damit.
Mit meinem heutigen Körperbewusstsein würde ich meine Gesundheit nicht so einfach in den Hintergrund stellen. Je älter ich werde, desto mehr weiß ich mich selbst und meine Umwelt zu schätzen – ich möchte fast sagen, ich lernte mich selbst und diese Welt so sehr lieben, dass ich sehr wohl den Wunsch verspüre, mit 60 noch putzmunter stundenlang in meinem Garten zu sitzen, nur um den Vögeln zuzuhören. Wie passend, dass sich das Bild eines Vegetariers mit mir in den letzten Jahren gewandelt hat. Wie passend, dass ich meinem Körper dadurch niemals etwas schlechtes angetan hatte.

Ich hatte keine Mangelerscheinungen.

Und ich nahm (zu meiner Enttäuschung) auch kein Kilo ab. Ich ging weiterhin 4x im Jahr Blutspenden und mein Eisenwert war immer im Normalbereich. Ich war nie schwächer als andere oder weniger fit.
Meine Eltern ließen mich wie immer einfach machen. Meine Eltern ließen mich immer schon einfach machen, denn sie wussten, einem Teenager reinreden bringt sowieso nichts. Zwar wusste ich, dass sie die Entscheidung nicht unbedingt guthießen (ich glaube es war wohl hauptsächlich Sorge – denn auch meine Eltern dachten ja, all das sei schrecklich ungesund), aber ich musste mir nie abfällige Kommentare anhören und überreden wollten sie mich auch nie – wofür ich im Nachhinein sehr dankbar bin. Es war trotzdem hart für mich zuzusehen, wie meine Mama Fleichpflanzer’l und Spaghetti Bolognese kochte und ich nur schweren Herzens daran riechen konnte. Schwach wurde ich allerdings nie.
Als ich mit 21 von Daheim auszog wurde alles viel leichter. Meine Mitbewohnerin aß zwar Fleisch, aber sie kochte wohl nicht gut genug, als dass ich hätte neidisch sein können – und nach zwei Jahren war sowieso alles leichter geworden. Ein Stück Fleisch machte mich nicht einmal mehr an, ganz im Gegenteil: Zu dieser Zeit beschloss ich, dass meine “Phase” in Zukunft keine mehr sein sollte. Ich beschloss, nie wieder Fleisch zu essen. Ich konnte es mir einfach nicht mehr vorstellen. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, dass ein Tier für mich sterben sollte, und ich hatte über die Jahre auch gelernt, ziemlich gut und abwechslungsreich vegetarisch zu kochen.

Ich glaube, in diesem Alter verspürte ich das erste mal das mir jetzt so vertraute “ich kann das einfach nicht mehr“-Gefühl. So eine innere Blockade, die mir sagt, dass das nicht das ist, was mein Herz will – und deswegen geht es einfach nicht mehr. Vegetarisch zu essen fühlte sich richtig an, es nicht zu tun hätte mir schlichtweg weh getan. Je älter ich wurde, desto öfter hatte ich das Gefühl, diese Blockade würde mich einschränken. Sie tauchte immer öfter auf und sonderte mich irgendwie vom Rest der Welt ab, und manchmal wünschte ich mir, ich könnte sie ignorieren und normal weitermachen. Es wäre doch so viel einfacher. Doch was ich früher als “Blockade” beschrieb war ganz einfach nur ein wundervolles Bewusstsein für mich und meine Umwelt und nichts, was “falsch” war oder mich einschränkte. Schon damals spürte ich, dass mich mein Weg eigentlich sogar zum Veganismus trieb, aber ich wehrte mich noch. Ich wollte nicht noch mehr “anders” sein, mich noch mehr rechtfertigen müssen, noch mehr “verzichten” auf Dinge, die ich als schön empfand.

Schritt für Schritt

Heute aber weiß ich, wohin mich mein Weg führen wird, durch eben dieses Bewusstsein. Ich möchte mich nicht von Heute auf Morgen zwingen all die Dinge umzusetzen, die mir im Kopf herumschwirren, aber es geschieht so nach und nach, Schritt für Schritt. Irgendwann wache ich hier auf und irgendwann dort. Und das ist okay.
Genau so spürte ich auch dann vor acht Monaten, dass es Zeit ist, nun auch auf Milch und Eier zu verzichten. Etwas später schaffte ich es, mich vom Leder loszusagen. Mit neunzehn konnte ich mir all das noch nicht vorstellen und es wäre für mich persönlich auch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Aber jetzt, heute, bin ich mit jeder dieser Schritte und mit jeder dieser Entscheidungen ein nur noch glücklicherer Mensch geworden – weil es von Herzen kommt. Und alles in meinem Leben, was ich aus meinem Herzen heraus getan habe, war gut. Egal ob nun Essverhalten, Schule, Uni oder Reise – das, was sich richtig anfühlte war auch immer das absolut richtige für mich.

Und in Zukunft? In Zukunft sehe ich mich mit einem Häuschen auf dem Land, mit eigenem Kräutergarten, ich sehe mich Nahrungsmittel nur noch in Bio-Zero-Waste Läden einkaufen und nachhaltige, faire Kleidung tragen. Ich sehe mich den ganzen Tag auf der Terrasse sitzen, schreiben, fotografieren, einen Haufen Tiere um mich herum wirbeln und immer noch lachen wie ein kleines Kind. Ich weiß, welcher Weg der Richtige für mich ist, aber ich erlaube mir auch, ihn Schrittweise zu gehen, ohne mich zu hetzen, ohne große Sprünge machen zu müssen.

Ich habe gelernt, mir selbst zuzuhören. In mich reinzufühlen. Wenn es richtig ist, dann merke ich es. Wenn die Zeit für etwas gekommen ist, dann fühle ich es. Und wenn ich mir mal unsicher bin, setze ich mich auf ein Kissen, stelle mir einen Wecker auf 15 Minuten, schalte meinen Kopf und meine Gedanken ab und beginne, bewusst zu fühlen.

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Teil 3 folgt bald! :)

 


 

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