Am Anfang war es noch aufregend, spannend, und irgendwie schön, dieses Reisefieber. Aber irgendwann war es einfach nicht mehr witzig. Wir wussten natürlich, dass es anstrengend sein würde – es ist immer anstrengend ans andere scheiss Ende der Welt zu fliegen. Aber ich habe mir niemals ersthaft darüber Gedanken gemacht, wie fertig es mich tatsächlich machen würde. Gut so, denn es hätte ja doch nichts gebracht. Da mussten wir eben durch.

Unser Flug ging um 7 Uhr Morgens, wir hatten also nur zwei Stunden geschlafen als unsere Reise startete. Erst von München nach Amsterdam, von dort aus zehn Stunden lang nach Seattle. Aus irgend einem Grund hatten wir beide nur den einzigen Pullover an, den wir eingepackt hatten – denn wozu auch eine dicke Jacke am Flughafen rumschleppen, wenn man nach Hawaii fliegt – und wir froren eigentlich die ganze Reise über. Im Flieger war uns eiskalt (und das, obwohl wir insgesamt vier dieser Flugzeug-Decken über uns hatten), am Flughafen in Seattle war es eiskalt, im Flieger nach Hawaii war es eiskalt. Schlafen konnten wir keine Sekunde lang, nicht auf dem zehn Stunden Flug nach Seattle, nicht die sechs Stunden, die wir in Seattle ausharren mussten und auch nicht die letzten sechs Stunden Seattle nach Hawaii. Zusätzlich hatten wir durchweg beschissene Plätze: Entweder ganz in der Mitte oder nicht am Fenster – nie konnte sich einer von uns eine Zeit lang zum schlafen anlehnen. Wir waren insgesamt 36 Stunden unterwegs – beide mit zwei Stunden Schlaf in einer 48h-Wachphase. Drei Kreuze dafür, dass ich mich um unser veganes Essen im Flieger gekümmert hatte. Und drei Kreuze dafür, dass wir die Immigration und die damit verbundenen seltsamen Fragen bereits in Seattle über uns ergehen lassen mussten. Da hat das Gehirn wenigstens noch ein bisschen funktioniert, als uns der Beamte fragte, was zur Hölle wir neun Wochen auf Hawaii wollen – und wie wir das bezahlen wollen. “Wir reisen nur so ein bisschen rum und wissen eigentlich nie, wo wir am nächsten Tag schlafen” wäre nämlich die falsche Antwort gewesen.

Wir waren körperlich und mit den Nerven am Ende, als wir endlich auf O’ahu landeten. 22 Uhr Ortszeit, die Sonne war bereits verschwunden.
“You made it!”, sagte meine Flugzeug-Nachbarin zu mir lachend, “you gonna have so much fun here!” Ich dem Moment, als sie mich so anstrahlte, kam der Glauben daran kurz wieder zurück. Ich wollte eigentlich nur endlich ankommen und in ein Bett fallen, egal welches. Trotzdem war ich froh um ihre lieben Worte, sie erinnerten mich wieder daran, auf welches Stück Erde ich gleich meinen Fuß setzen würde.
Und bereits in der Gangway fühlte ich es ein bisschen. Und war mit einem mal wieder hellwach. Ich konnte es kaum erwarten, aus dem Flughafen rauszukommen und die feuchte, warme Luft zu spüren. Ich hatte die letzten 36 Stunden nur gefroren, ich wollte diesen Pullover endlich ausziehen und irgendwo im T-Shirt sitzen können, ohne zu Bibbern. Und ganz unverhofft traf es uns bereits, als wir die Gangway verließen – weil der Flughafen in Honolulu so halb im Freien liegt und teilweise die Außenwände weggelassen wurden. Wozu auch ein geschlossenes Gebäude bauen an einem Ort, der keinen Winter kennt.

“Riechst du das?”, sagte ich zu Chrissy, und mein Herz klopfte wie das eines Kindes kurz vor Weihnachten. Es roch nach Sommer. Nach Sonne, Palmen und Stränden. Es fühlte sich an, als sei ich gerade ins Reptilienhaus im Zoo gelaufen. Feuchtwarm und tropisch. Wir waren wieder hellwach. Ich zog den Pullover endlich aus und beendete damit meine Reise, ließ das kalte Deutschland hinter mir und vergaß, dass es ja eigentlich Mitte Januar ist.

Sonnenaufgang am Diamond Head


Waialua Beach Houses