Ich drehe das Rad an meiner Kamera nach links und schüttle den Kopf. “Okay”, sage ich, fest entschlossen, dass der ganze Aufwand nicht umsonst war. “Wir mache jetzt aus vier Perspektiven in jede Richtung ein Foto und gucken, wo das Licht am besten ist.”
Ich stelle mich hin, klick, stelle mich anders hin, klick, drehe mich, klick, und noch einmal, klick. Er gibt mir Wortlos die Kamera und ich drehe das Rad wieder nach links. Und wieder schüttle ich den Kopf. Wütend schalte ich sie aus, hänge mir den Gurt über die Schulter, gebe J. mit der Hand ein Zeichen, dass er mir folgen soll und stapfe in Richtung Haustür.
“Was ist denn nun?” fragt er. “Es ist einfach mein Gesicht!”, fluche ich, “mein Kopf ist überdimensional groß und mein Gesicht ist irgendwo total deplatziert zusammengedrückt auf dieser riesigen Fläche, und wenn ich meine Haare so auf eine Seite trage wie heute sieht’s einfach scheisse aus!” Bei dem Wort “Scheisse” trete ich mit der Fußspitze in den Schneehaufen vor mir, als ob ich die Wut auf mich selbst damit kompensieren könnte.
“Was? Du siehst schön aus, wie immer!” sagt er. Und das einzige was ich denke ist, ob er damit meint, dass ich auf diesen Bildern tatsächlich aussehe wie in Wirklichkeit. Er kann nichts dafür, das weiß ich selbst. Eigentlich bin ich doch gar nicht wütend auf mein Äußeres, eigentlich ärgert es mich doch nur, dass mein Selbstwertgefühl offensichtlich schon wieder Urlaub macht. Vor ein paar Minuten stand ich noch in meinem Zimmer vor meinem Spiegel, drehte mich nach Recht und Links, und mir gefiel, was ich sah. Das Outfit war gut, die Haare auch, ich hatte Lust auf einen natürlicheren Look mit wenig Makeup – und auch das gefiel mir. Eigentlich. Und dann gehen wir raus, knipsen ein paar Bilder für den nächsten Post und nichts, absolut gar nichts gefällt mir. Und nichts, absolut gar nichts kann mich gerade von diesem Gedanken abbringen. Ich schalte meine Kamera an, suche im Menü die “Formatieren”-Schaltfläche und lösche alles, was wir eben Fotografiert haben. Was für eine scheisse.

Mein Blog ist meine eigene, kleine, perfekte Welt. Ich gebe mir immer die größte Mühe, um jeden meiner Beiträge so schön wie möglich zu gestalten. Hier ist alles aufgeräumt, sauber und glatt gebügelt. Aus hundert Bildern suche ich mir die paar raus, die in meinen Augen am schönsten sind. Ein Bild, auf dem ich lache, gefällt mir nur sehr, sehr selten – und das obwohl ich wirklich kein Kind der Traurigkeit bin. Trotzdem versuche ich mich selbst so gut es geht genau so darzustellen, wie ich wirklich bin. Ich habe in der Bloggerwelt schon einige Mädchen kennengelernt, die auf ihren Blogs versuchen, ZU perfekt zu wirken und sich dank Photoshop teilweise sogar eine andere Identität aufbauen. Mir ist es schon einige male passiert, dass ich Bloggerinnen traf, die ich auf den ersten Blick gar nicht erkannt habe – und ich möchte niemals, dass sich jemand denkt “uh, die sieht aber anders aus als auf ihren Bildern”, wenn sie mich kennenlernen. Manchmal, wenn ich einen dicken fetten Pickel auf den Kinn habe, retuschier ich ihn weg. Aber ich hoffe, das ist noch okay. Ich wünschte nur ab und zu, ich wäre nicht so verdammt selbstkritisch – denn letztendlich hätten euch die Bilder sicher gefallen. Und auch wenn das Licht nicht perfekt war und und meine Wochenend-Augenringe dadurch noch ein bisschen heftiger betont wurden heißt das doch nicht, dass ihr mich deswegen weniger mögt. Aber so eine Einsicht kommt immer erst später.

Ich bin mir manchmal allerdings nicht sicher, ob ein Leser so etwas sehen möchte. Das klingt jetzt fieser, als es eigentlich gemeint ist – aber sind Kenza, Kayture und Chiara denn so groß geworden, weil sie immer noch die “Mädchen von Nebenan” sind? Ich glaube nicht. Alle drei sind in jeglicher Hinsicht perfekt und so begehrt, weil sie eben alles haben, was wir uns wünschen. Sie haben tolle haare, die perfekte Figur, eine großartigen Kleidungsstil, gehen auf die angesagtesten Parties und sitzen in der Front Row. Alles Dinge, zu denen junge Mädchen aufsehen.

Der einzige Tag in der Woche, an dem ich auf meinem Blog wirklich schwäche zeige und mich angreifbar mache ist heute. Sonntag. Ich hatte mir eine Zeit lang ernsthaft überlegt, weniger privates Preis zu geben und nur noch die Fashion-Schiene zu fahren, habe mich aber Gott sei Dank dagegen entschieden. Ich finde auf Augenhöhe und Nahbar sein schöner als eine Internet-Lichtgestalt zu werden, selbst wenn ich durch meine emotionalen Texte irgendwelche Kunden abschrecken sollte. Euch schrecke ich dadurch nämlich nicht ab, das weiß ich ganz sicher.
Ich nehme mir in Zukunft vor, noch ein bisschen weniger Selbstkritisch zu sein und keine ganzen Looks mehr zu löschen, nur weil ich einen Bad Hair Day habe.

Und falls du selbst einen Modeblog hast und dich vielleicht manchmal ähnlich fühlst würde ich mich freuen, wenn du auch von einem Moment der Schwäche erzählst. Ich denke, gerade für die jüngeren Leserinnen ist es wichtig zu sehen, dass wir alle nicht perfekt sind. Dass es auch Internetmädchen, für die es jeden Tag nur Komplimente hagelt, manchmal schwer haben sich selbst zu lieben.

In diesem Sinne:

lolk

Tipp: Bild in neuem Fenster öffnen und auf’s Gesicht zoomen. #Samara ;)

(Die schönen Bilder zum Outfit gibt’s dann am Montag ;))