Das Handy vibriert nicht. Es vibriert nie, wenn es soll. Vor einiger Zeit gab es dieses beschissene Android-Update für Whatsapp und seitdem kann sie einstellen, ob sie den letzten Online-Status des Anderen sehen kann oder nicht. Einstellungen, Privatsphäre, Zuletzt online, „Jeder“. Natürlich hat er die Nachricht gelesen und natürlich hat er mal wieder nicht darauf geantwortet. Ihr ganzes Herzblut hat sie in eine dumme Message gesteckt und wieder hat er sich dazu entschlossen sein Ego über alles zu stellen. Scheiss Update, die Unwissenheit war leichter. Er muss jetzt alleine sein, hat er gesagt. Sie hat ihn nicht festgehalten, als die die Wohnung verließ, mit einem „Bitte“ hat sie’s versucht, aber das Geheule ließ er schon lange nicht mehr an sich ran. Also drehte er ihre wieder den Rücken zu, mit einer Gleichgültigkeit, als hätten sie sich niemals gekannt. Und in ihrem Kopf sangen Stimmen den Song von FlicFlac, die gleiche Stelle auf Repeat: „The opposite of love is indifference.“

Es war doch alles so perfekt. Mein Gott, sie haben zusammen die Welt vergessen, von der ganz großen Liebe gesprochen. Sein Geruch heftete an ihr und ihrer an ihm. Beide waren sich einig, dass niemand sie jemals verstehen würde, weil sie es ja selbe nicht beschreiben konnten. Sie wuchs an ihm und er an ihr, sie lernten so viel voneinander. Sie hatte ihre Person gefunden, den einen Menschen, der gleichzeitig bester Freund und Prinz sein konnte. Er sagte einmal, sie habe ihn damals gerettet. „Du bist wunderschön“, hat er gesagt, und sie wusste nicht, ob irgendjemand schon einmal sowas zu ihr gesagt hatte. Sie liebte ihre unterschiedliche Weltanschauung und die Tatsache, dass sie sich tagelang von der Außenwelt abschotten konnten, nur um zu reden und voneinander zu lernen. Manchmal vergaßen sie sogar zu essen. Er erklärte ihr seine Welt und lehrte ihr endlich sich selbst vor Andere zu stellen.

 

„HOPE“. – „Hold On, Pain Ends.“

Und plötzlich wurde er Fremd. Ließ sie ihm stich, wenn sie ihn am dringendsten gebraucht hätte. Trat ihr in den Rücken, einmal, zweimal, jede Woche, dann jeden Tag. Seit zwei Monaten waren die Erinnerungen an die Anfangszeit keine schönen mehr. Keine großartige Liebesgeschichte, sondern jedes Mal wieder nur Erinnerungen an den Sommer, der all sein grün verloren hatte. Keine Anekdoten die man mit Freude erzählt sondern traurige Geschichten, die der Vergangenheit angehören und nur die große Frage aufkommen ließen warum das denn alles plötzlich nicht mehr so war, warum keine neuen Erinnerungen geschaffen werden konnte. Die Hoffnung daran, dass alles wieder so werden würde wie früher, ließ sie morgens aufstehen. Sie liebte die Vergangenheit so abgöttisch, dass sie nicht sehen konnte, wie sehr sie die Gegenwart verabscheute. „Hör auf“, hatte ihre beste Freundin eines Tages zu ihr gesagt, „Hör auf nur noch die Erinnerungen zu lieben. Frag dich lieber, ob du IHN noch liebst.“

Sie sah der Musik zu, wie sie durchs Zimmer schwebte. Sah zu, wie Hoffnung und Erinnerung miteinander tanzten, aus dem Takt gerieten und sich gegenseitig auf die Füße stiegen. Und ganz plötzlich, als habe er schon ewig am Rand der Tanzfläche auf den richtigen Moment gewartet kam der Zweifel hinzu und legte ein ziemlich atemberaubendes Solo hin.
Was, wenn ihre Freundin recht hatte? Wenn sie mehr in die Erinnerung als das Jetzt verliebt war? Was hatte er ihr in letzter Zeit schon gegeben? Jedes mal, wenn er nicht antwortete, jedes mal, wenn sie ihn mehr zu vermissen schien als er sie, jedes mal, wenn er sich dazu entschloss sie in ihrer Gefühlskotze ertrinken zu lassen fragte sie sich, an welchem Punkt sie einen unterschiedlichen Weg eingeschlagen hatten. Und heute, hier, im Bett, mit Blick zur Decke, fragte sie sich zum ersten mal ob es das alles eigentlich noch Wert war. Sie wuchs schon lang nicht mehr an ihm, eher schrumpfte sie an seiner Gleichgültigkeit. Und genau in diesem Moment lag es auf einmal glasklar vor ihr. Als hätten ihr Hoffnung und Erinnerung nur eine Brille mit falscher Sehstärke aufgesetzt.

 

It hurts to let go, but sometimes it hurts more to hold on.

Jede Minute, die sie wütend oder traurig war verlor sie 60 Sekunden ihres Lebens in denen sie eigentlich ziemlich awesome hätte sein können. Sie sollte sich selbst genug respektieren um alles hinter ihr zu lassen, woran sie nicht mehr wachsen kann, was sie nicht stärker und glücklicher macht – und das war nunmal er. Je früher sie realisieren würde dass es niemals wieder so wird wie früher, je eher könnte sie normal weitermachen. Sie hielt ihn immernoch fest, obwohl er sie schon lange hat gehen lassen. Wenn er hätte bleiben wollen, wäre er jetzt hier. Und an genau diesem Punkt realisierte sie plötzlich, dass er wohl immer im Herzen bleiben würde, aber keinen platz mehr in ihrem Leben verdient hatte. Man wird niemals die richtige Person finden, wenn man die falsche nicht gehen lässt.

Der Schlüssel in der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Als sie panisch versuchte die Tränen wegzuwischen merkte sie, dass keine mehr da waren. Sie waren getrocknet, einfach so, ohne seine Hilfe. Sie ging zur Tür und sah ihn an. Er sagte nichts.

„Ich habe es satt, dass du mir weh tust.“
– „Und ich möchte dir nicht mehr weh tun“.

Loslassen tut unendlich weh, aber letztendlich wirst du merken, dass Festhalten noch viel schlimmer ist. Erinnere dich immer daran, dass es immer weiter gehen muss. Und wenn ich eines im Leben gelernt habe, dann, dass es tatsächlich weitergeht. Look at something beautiful and move the hell on.

walk away

 


 

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